Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
näherte.
Steel spähte hinüber zum Ziel der Reiter und entdeckte eine beachtliche Schar französischer Kavalleristen, die sich jenseits der Straße nach Gent aufhielten. Dragoner in ihren schmucken, blau-roten Uniformröcken saßen ruhig auf den Rücken ihrer Pferde und ahnten offenbar noch gar nicht, dass die feindlichen Einheiten immer schneller in Richtung Straße donnerten. Steel konnte nur vermuten, dass diese Nachlässigkeit dem Umstand geschuldet war, dass die Dragoner in dem Glauben waren, der Boden zu ihrer Rechten sei unüberwindbar. Dabei mussten die Franzosen doch bemerkt haben, dass die Hannoveraner sich für die Attacke versammelt hatten. Steel malte sich aus, wie die Anführer der Schwadronen hoch und stolz zu Ross saßen, auf den edelsten Tieren, die in Frankreich für Geld zu haben waren. Noch lachten sie womöglich und plauderten unbeschwert, obwohl ihnen die Bewegung auf der Flanke nicht entgangen sein konnte.
Steel beobachtete die Franzosen weiter. Denn auch er hatte sich vor Stunden einen Überblick über die Beschaffenheit des Geländes verschafft und war der Meinung gewesen, dass das Marschland ringsum größtenteils unpassierbar war.
Steel sprach Williams und Hansam an, die neben ihm standen. »Nun, meine Herren, was haltet Ihr davon? Haben unsere Generäle allmählich den Verstand verloren? Erst halten sie uns hier einen geschlagenen Tag lang fest, und jetzt schicken sie, wie es scheint, die besten Einheiten unserer Kavallerie in die Sümpfe.«
Williams, der Steels Kommentar anscheinend überhört hatte, blickte wie gebannt hinüber zur heranstürmenden Kavallerie und sagte im Tonfall aufrichtiger Bewunderung: »Das ist brillant. Unglaublich!«
Steel sah den Fähnrich fragend an. »Tom? Ist er ansteckend, dieser Wahnsinn? Bleibt mir bloß vom Hals. Was redet Ihr da? Ihr seht doch so gut wie ich, dass der Boden sich nicht für Kavallerie eignet. Das ist Marschland, um Gottes willen. Selbst unsere Fußtruppen müssten sich quälen, wenn sie durch diesen Matsch getrieben würden. Das ist Irrsinn.«
Williams antwortete in einem Tonfall, der dem niedrigeren Rang angemessen war; dennoch wohnte seinen Worten Überzeugung inne. »Nein, Sir, das ist kein Irrsinn. Seht Ihr, diese Marsch ist nicht das, was sie zu sein vorgibt. Ich habe es mir heute früh von Harrington erklären lassen, Sir. Ich weiß nicht, ob Ihr ihn kennt. Er ist Cornet bei Hays Dragonern, gehört zum Stab dort. Ein netter Kerl …«
»Nun erzählt schon«, drängte Steel.
»Tut mir leid, Sir. Tatsache ist: Der Boden ist fest. So fest wie der Untergrund, auf dem wir gerade stehen.« Er stampfte mit dem Fuß auf. »Sieht nur so aus wie Sumpfgelände, Sir, wegen der Wasserschicht, die hier und da an der Oberfläche zu erkennen ist. Wie Öl, das auf dem Badewasser schwimmt, wenn Ihr versteht, was ich meine.«
Steel starrte den jungen Fähnrich ungläubig an, denn er konnte sich nicht vorstellen, wann Williams zuletzt in duftenden Ölen gebadet haben wollte.
»Harrington meint, die Ingenieure hätten ihm erzählt, der Boden könne einen Zug Artillerie tragen. Das ist doch brillant, Sir. Denn die Franzosen ahnen nicht, wie es wirklich um sie steht. Sie werden in Stücke gehauen.«
Steel beobachtete wieder die Franzosen. Er sah, dass einige Kavallerieoffiziere inzwischen in Richtung der heranstürmenden Hannoveraner zeigten. Sie lachten noch immer. Offenbar hatten sie nur Hohn und Spott übrig für die Entscheidung des gegnerischen Kommandeurs, die Reiter in sumpfiges Gelände zu treiben.
»Großer Gott, Ihr habt recht«, sagte Steel. »Sieh dir das an, Henry. Sie ahnen nicht, was ihnen blüht. Haben keinen Schimmer. Sie werden sich nicht mehr rechtzeitig formieren können. Siehst du das? Das ist wirklich brillant. Gut erkannt, Tom.«
Die Pferde der Hannoveraner überwanden das Terrain inzwischen immer schneller; das Gewicht von Ross und Reiter ließ es meist nicht zu, die volle Geschwindigkeit bei der Attacke zu erreichen. Doch Steel ahnte, dass die Hannoveraner schnell genug waren, um mit voller Wucht in die französischen Linien zu preschen. Die Franzosen hingegen hatten sich immer noch nicht gerührt, obwohl sie sahen, dass der Gegner offenbar doch imstande war, das Marschland zu überqueren.
Augenblicke später jedoch fiel Steel auf, dass einige der französischen Offiziere ihre Pferde wendeten und sich den Schwadronen und anderen Truppenteilen anschlossen. Den Franzosen würde jeden Moment vor Augen geführt werden,
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