Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
hatte, bildeten sich nun Lachen aus rotem Matsch. Rantzaus Männer brauchten nicht lange, um durch die Reste der sich auflösenden Kavallerie hindurch zu preschen. Schon bald waren sie vollständig durchgebrochen und hielten Ausschau nach frischer Beute. Und zu Steels stillem Entsetzen machten die Hannoveraner nicht Halt.
Gewiss, es waren Dragoner. Und sie taten das, was Dragoner nun mal am besten konnten: Sie spürten ihre Gegner auf, wenn diese besonders wehrlos waren, und hackten sie in Stücke, bis das Blut in Strömen floss. Steel kannte Jørgen Rantzau als tapferen und erfahrenen Soldaten. Mochte eine Kavallerieeinheit noch so gut geführt sein – wie wollte man solche Männer noch aufhalten, wenn sie Blut geleckt hatten? Weder Befehle noch Fanfarenstöße konnten ihnen dann noch Einhalt gebieten.
Doch der Gegenzug ließ nicht lange auf sich warten. Mit angehaltenem Atem verfolgte Steel, wie das Unvermeidliche geschah: Rantzaus blutdürstende Sieger wurden in diesem Augenblick von frischer französischer Kavallerie attackiert. Noch versuchten die Hannoveraner, ihre Schwadronen neu auszurichten, da bohrte sich der Feind bereits in ihre Flanke. Steel blieb nichts anderes übrig, als dem Untergang der eben noch siegreichen Kavallerie tatenlos zuzusehen.
Ein Hüsteln riss ihn aus seiner Starre. »So was ist eine echte Schande, Sir, wenn Ihr erlaubt. Aber das ist eben die Kavallerie. Sie wissen nicht, wann man aufhören muss. Seht Ihr? Aber was für eine Darbietung, Sir, nicht wahr? Die Burschen aus den deutschen Landen haben die Franzmänner tüchtig verprügelt. Habe alles von da hinten beobachtet. Verdammt großartig.«
»Ja, verdammt großartig, Jacob, da gebe ich Euch recht. Und es stimmt, was Ihr über die Kavallerie sagt. Sie wissen oft nicht, wann es genug ist. Das war bei uns nicht viel anders, wisst Ihr noch? Hays Dragoner am Schellenberg? Sie ritten den Hügel hinunter geradewegs in Richtung Dorf. Die Donau färbte sich rot vom Blut der Feinde.« Er lächelte. »Aber ausgerechnet Ihr mahnt zur Zurückhaltung, Sergeant. Wir waren seinerzeit auch nicht viel besser. Nach Ramillies hatte es den Anschein, dass die ganze verdammte Kompanie die Franzosen bis nach Paris treiben würde.«
Slaughter grinste. »Nun, Sir, manchmal kann man die Jungs nicht mehr aufhalten. Und wir hätten die Franzmänner bis nach Paris getrieben, wenn uns der Herzog nicht aufgehalten hätte. Aber heute werden wir’s vielleicht nachholen. Wir treiben sie bis nach Paris, wenn es sein muss, und weiter den elenden Fluss hinunter bis nach Versailles. Da würden wir Ludwig eine Abreibung verpassen.«
Slaughter lag gar nicht so falsch, wie Steel sich bewusst machte. Denn bis zur französischen Grenze waren es nicht mehr als fünfzehn Meilen. Sollten sie wirklich an diesem Tag siegen, bestand immerhin die Möglichkeit, dass Steel seine Männer in einem Triumphmarsch durch Paris führen könnte – sofern das Schicksal es gut mit ihnen meinte. Im Verlauf der letzten Jahre waren die Kriegsgötter tatsächlich weitgehend auf der Seite der Alliierten gewesen. Was für ein Triumph das wäre!
Steel stimmte in das Lachen des Sergeants mit ein. »Hoffen wir es, Jacob. Uns bleibt nicht viel anderes übrig.«
Wieder blickte er hinüber auf die andere Seite des Flusses. Zu seinem Erstaunen begannen die Franzosen, gestärkt von ihrem Erfolg gegen die zurückgeschlagenen Hannoveraner, eine Gegenoffensive entlang der Straße nach Gent, in Richtung Oudenaarde. Wie es aussah, war es doch noch vielen Hannoveranern gelungen, sich rechtzeitig an der linken Flanke der Alliierten in Sicherheit zu bringen.
Kopfschüttelnd sagte er: »Was haben die vor, zum Teufel? Sehen die denn nicht, dass wir hier stehen?«
Gemeinsam verfolgten sie, wie vier große Säulen blassgrau uniformierter Infanterie den Bachlauf bei Diepenbeek überwanden und ohne Gegenwehr das Dorf gleichen Namens einnahmen, das auf Cadogans linker Seite lag. Inzwischen konnte Steel die Franzosen deutlicher erkennen. Er sah ihre Offiziere und Sergeanten mit ihren Spontons und Hellebarden und die weißen und silbernen Spitzen an den schwarzen Dreispitz-Hüten. Die Franzosen kamen heran und wurden allmählich in Cadogans Kessel gezogen. Steel und Slaughter erkannten sofort, dass die Zeit für die Grenadiere gekommen war.
»Lasst die Männer antreten, Sergeant. Ich schätze, dass wir jeden Moment vorrücken werden.«
Hansams Taschenuhr zufolge war es mittlerweile vier Uhr. Und Steel hatte
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