Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
wie entscheidend wichtig in einer Schlacht die gute Arbeit der Aufklärer war. Diese Lektion würde viele Kavalleristen das Leben kosten.
Jetzt konnte man auch die Hannoveraner erkennen; es handelte sich um General Jørgen Rantzaus Brigade von Dragonern, die unter Cadogans Kommando standen. Eine Schar weiß uniformierter Söldner aus deutschen Landen in englischen Diensten, die weder den Franzosen noch deren Schweizer Alliierten zugetan waren. Insgesamt stürmten dort acht Schwadronen der Hannoveraner heran, ungefähr 1200 Mann auf einheitlich braunen Pferden.
Steel nahm das Aufblitzen von Metall im Sonnenlicht wahr und sah die langen Kavalleriesäbel, die die Reiter sich auf die rechte Schulter gelegt hatten. Diese Waffen lagen gut in der Hand und würden wie Hammerschläge auf alles niedersausen, was sich ihnen in den Weg stellte: Fleisch, Knochen, Sehnen.
Ein eigenartiger Schauer der Faszination befiel Steel, als er sah, wie die Pferde der deutschen Söldner sich immer weiter den Franzosen näherten, die es auch jetzt nicht für nötig befanden, sich zu formieren. Viel zu spät erkannten sie, in welcher Gefahr sie schwebten. Steel sah, wie die Gegner in letzter Sekunde hastig versuchten, Bewegung in die noch starren Reihen zu bringen. Offiziere schrien nutzlose Befehle, nach rechts zu schwenken und dem herannahenden Feind entgegenzutreten. Säbel wurden gezogen. Aber da war es für die Franzosen bereits zu spät. Der Ansturm der weiß uniformierten Hannoveraner auf ihren großen Pferden leitete den letzten Akt des Schreckens ein.
Aus dem Tal drangen plötzlich Geräusche herüber, die in den Ohren der jungen Rekruten seltsamerweise an das Knacken eines prasselnden Feuers erinnerten. Steel wusste sofort, dass es sich um Musketenschüsse handelte. Ein Bataillon Infanterie, das sich rechts von den galoppierenden Hannoveranern formiert hatte, eröffnete das Feuer. Flammenzungen stieben aus den Läufen, Pulverdampf hüllte die Schützen ein. Die Salve hob einige Hannoveraner aus den Sätteln, andere sackten getroffen auf den Pferden zusammen und versuchten, sich festzuhalten. Doch die Salve bewirkte weitaus weniger als bei gewöhnlichen Infanteriegefechten, da die Dragoner in schnellem Tempo durchs Tal preschten. Die Hannoveraner scherten sich in ihrem Galopp ohnehin nicht um die Infanteristen, denn ihre Wut war inzwischen so groß, dass sie die Musketenkugeln lediglich als Stiche lästiger Moskitos empfanden.
Steel beobachtete, wie die Franzosen auf der Straße angesichts der unabwendbaren Attacke in Panik gerieten. Genau dafür, dachte er, waren diese Reiter ausgebildet. Auf diesen Moment warteten alle Kavalleristen, doch kaum einer wagte zu hoffen, die Schwachstelle des Gegners rücksichtslos ausnutzen zu können. Ein solcher Vorstoß war erschreckend simpel und eignete sich für die Lehrbücher der Strategie, aber wenn eine solche Attacke sich doch einmal aufgrund von Nachlässigkeit des Feindes in die Tat umsetzen ließ, besaß die Darbietung eine grausame Anmut.
Im nächsten Moment brachen Rantzaus Männer in die französischen Linien und fuhren wie eine Sense durch reifes Korn. Erbarmungslos sausten die großen Klingen auf Schädel und Schultern nieder oder spießten die fast wehrlosen Franzosen auf, während die Pferde der Angreifer mit den Hufen ausschlugen und mit flirrenden Nüstern um sich bissen; selbst die reiterlosen Pferde der gefallenen Dragoner jagten mit voller Wucht in die französischen Reihen, die in Chaos und blutigem Gemetzel untergingen.
Steel hörte den Jubel seiner Männer. Die meisten von ihnen hatten mitverfolgen können, wie der Feind niedergemacht wurde. Im Krieg war kein Platz für Gnade. Kein Mitleid. Es gab lediglich Sieger und Besiegte – und die Toten, die Sterbenden und diejenigen, denen es gelang, einen weiteren Tag am Leben zu bleiben.
Die französische Kavallerie war verloren. Zwanzig ihrer Schwadronen wurden hinweggefegt, nur weil ein Mann nicht hatte zugeben wollen, sich womöglich geirrt zu haben.
Steel sah, wie sich die blau und rot uniformierten Reihen in dem Durcheinander aus Schreien und Pferdewiehern auflösten, während die Hannoveraner wie ein großer weißer Keil in die Menge rammten – wie ein heißes Messer in Butter. Immer noch schnellten die Klingen in die Höhe, sausten nieder und hinterließen eine Schneise aus blutigem Fleisch und Knochensplittern. Unter den Hufen der französischen Kavallerie, die Augenblicke zuvor noch so stolz und erhaben gewirkt
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