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Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)

Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Gale
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erwies sich als halbwegs erträglich. Die beiden Damen hatten vereinbart, bei Henriettas Rückkehr nach Brüssel den kleinen Kurzwarenladen zu besuchen, wo Madame Delvaux ihr zwanzig Yards Seide hatte zurücklegen lassen. Die Seide wies exakt dasselbe Muster auf wie die Ware, die die Königin von England erworben hatte. Und Henrietta war fest entschlossen, diesen Stoff zu besitzen. Was tat es da zur Sache, wenn der Yard mehr als sieben Pfund kostete?
    Dann gab es da noch den wunderhübschen Damast mit Blumenmuster und einen aus Indien stammenden Stoff, der Baguzee genannt wurde. Ein so hauchdünnes, zartes Material, wie es kein zweites Mal auf Erden gab. Henrietta lächelte in sich hinein und läutete dann nach dem Dienstmädchen, das ihr beim Ankleiden behilflich sein sollte. Ja, das alles würde sie sich nach ihrer Rückkehr leisten, auch wenn die Kosten immens ausfielen. Aber Jack würde in Zukunft ja mehr Sold erhalten. Bis dahin würden sie eben auf Kredit leben müssen, wie alle anderen auch.
    Erneut zog sie an dem Klingelzug, der von der Decke hing, um das Mädchen zu rufen. Während die Kleine ihr kurz darauf beim Ankleiden half – zunächst kam der modische Reifrock als Unterrock, dann der aschgraue Petticoat aus Quilt –, hing sie weiter ihren Gedanken nach. Das Dienstmädchen, Maria, das sie erst vor Kurzem in Brüssel eingestellt hatte, da ihre englische Zofe Bessie mit einem Soldaten in den Ehestand getreten war, war schüchtern und ein bisschen dumm. Fest schnürte sie Henriettas Korsett aus Fischbein, ehe sie ihrer Herrin das Haar bürstete, bis es ihr in langen Locken über die bloßen Schultern fiel.
    Die ganze Zeit dachte Henrietta darüber nach, wie es ihr gelingen könnte, Jack von der Front wegzulocken – fort von seiner geliebten Armee zurück in die Kreise bei Hofe. Insgeheim ahnte sie, dass es ihr gelingen könnte. Wem nützte er hier in Flandern? Was für ein Leben sollten sie hier genießen? Steel war bereits ein gefeierter Held und wurde in den höheren gesellschaftlichen Kreisen respektiert. Selbst die Königin überschüttete ihn mit Lob. Gewiss, Jack hatte nicht viel Geld, aber es gab Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken … Möglichkeiten, die einem Mann halfen, in der Hauptstadt weiter aufzusteigen, sofern er die entsprechenden Verbindungen besaß und den Respekt einforderte, der einem Helden wie Jack Steel zustand.
    Denn Steel war ein Nationalheld. Aber Henrietta wusste, dass er dies nur so lange blieb, wie sein Name in aller Munde war. Die Leute, insbesondere die einflussreichen Kaufherren und Grundbesitzer, hatten oft ein wenig ausgeprägtes Erinnerungsvermögen. Im Augenblick stand Jack Steels Stern hoch am Himmel; deshalb war jeder Tag, den Henrietta untätig in Flandern zubrachte, eine verpasste Gelegenheit. Sie musste handeln. Allein schon, um ihrem Vater zu beweisen, dass er sich geirrt hatte. Hatte er sich ihr gegenüber nicht abfällig geäußert, als sie den Wunsch hegte, einen Soldaten zu heiraten – der in den Augen ihres Vaters wenig Aussicht auf sozialen Aufstieg hatte? Und war nicht genau das der Reiz für Henrietta gewesen, Jack zu heiraten? Ja, er war ein unglaublich gut aussehender Bursche und derzeit ein Held, der in aller Mund war.
    Darüber hinaus war er der Typ Mann, vor dem ihr Vater sie stets gewarnt hatte. Für ihn war Jack Steel der Inbegriff eines Mannes, den Henrietta unbedingt hätte meiden sollen: der mittellose, waghalsige Kämpfer, der auf Ruhm aus war.
    Kurzum, Steel bot Henrietta die Gelegenheit, ihrem Vater zu beweisen, dass er sich geirrt hatte. Sie war fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass Lord Vaughan sich nicht als Sieger fühlte.
***
    Steel ritt langsam durch die Gassen der Stadt, als sein Pferd leicht ins Stolpern geriet und wieherte. Verwundert suchte Steel nach der Ursache. Erst da sah er, dass jemand halb in der Gosse lag, die Beine von sich gestreckt; das Tier musste wohl über das ausgestreckte Bein gestolpert sein. Mühsam versuchte der Mann sich aufzurichten. Er trug einen roten Militärrock und den schwarzen Hut eines Infanteristen. Bei dem Zustand seiner Kleidung und dem Geruch von Alkohol, Schweiß und Erbrochenem lag die Vermutung nahe, dass der Bursche schon die ganze Nacht in der Gasse gelegen hatte.
    Inzwischen war der Mann halb auf den Beinen, taumelte und belegte Steel mit derben Flüchen. Steel sah sich derweil nach einem Sergeant um, den Trunkenbold unter Arrest zu stellen, doch als er niemanden sah, beließ er es

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