Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
er: »Tut mir leid, ich meinte natürlich den rechten Flügel. Aber seid Ihr da nicht meiner Meinung?«
»Ich bin leider nicht in der Position, mir ein Urteil zu erlauben. Ich war nämlich nicht auf diesem Teil des Schlachtfeldes.«
Steel betrachtete die Maske genauer und versuchte, etwas mehr als nur die Mundpartie des Gegenübers zu erkennen. »Ihr wart also auch in Oudenaarde? Ihr dientet in einem Regiment?«
»Nicht auf dem Schlachtfeld. Ich war beim Generalstab. Wie es sich gehört. Wir hatten eine Meinungsverschiedenheit, nahe der Mühle von Royghem. Aber wo wart Ihr genau, Captain? Wo stand Clares Regiment?«
Steel war verwirrt. Zu unbedacht hatte er sich in seiner Tarnung vorgewagt und sich in einer Version der Schlacht verrannt. Denn er hatte keine Ahnung, wo sich Clares Truppe in Oudenaarde aufgehalten haben mochte. Wo, um alles in der Welt, hatte er inmitten der feindlichen Linien bloß das Rot der Iren gesehen? Auf der linken Seite … nein, auf der rechten natürlich. Oder waren das Schweizer Truppen gewesen? Wo hatte die verdammte irische Brigade gestanden? Oder hatte der Fremde die ganze Zeit nur mit ihm gespielt? Hatte er gar seine Tarnung durchschaut? War Simpson ein Doppelagent? Schnell entschied er sich für eine Ausrede. »Ich war in ein anderes Regiment abkommandiert worden.«
»Oh, wirklich? In welches denn?«
»In Lord Dorringtons.«
»In der Tat. Ja. Seine Männer kämpften auf dem linken Flügel, nicht wahr?«
Steel war nach wie vor verunsichert, beschloss aber, sich der Ansicht anzuschließen, und hoffte, richtig zu liegen. »In der Tat, Sir.«
Schließlich war er im Begriff, sein Gegenüber zu fragen, ihm seinen Namen zu verraten, als der Fremde ihm zuvorkam. »Natürlich habe ich von meiner Position aus nur wenig von dem Kampf mitbekommen, abgesehen von dem glorreichen Sturmritt der preußischen Kavallerie, die unserer Infanterie so arg zusetzte. Aber wie traurig und wie töricht obendrein, diese tapferen Einheiten auf diese Weise einzusetzen. Glaubt mir, Captain, General Marlborough sorgt sich nicht sonderlich um seine Soldaten.«
»Es waren keine britischen Soldaten, Monsieur«, entgegnete Steel, »sondern Reiter aus deutschen Landen.« Wieder verfluchte er sich innerlich, denn erneut verteidigte er die falsche Armee, den falschen General.
»Ihr habt recht, Captain. Vielleicht tue ich diesem General unrecht. Ich konnte noch nie genau ergründen, wo seine Loyalität liegt. Wie auch immer, er trug den Sieg davon, und wir mussten das Feld räumen. Wirklich, Marschall Vendôme schlug in Gegenwart des Herzogs von Burgund einen anmaßenden Ton an. Er ging einfach zu weit.«
Erneut überlegte Steel, wer dieser Fremde sein mochte, und war sich plötzlich bewusst, wie verwundbar er im Augenblick auf dieser Soiree war, da er überall auf bedeutende französische Generäle stoßen könnte.
Der maskierte Mann zeigte mit einem Mal über Steels Schulter. »Ah, Monsieur Duroc. Auf ein Wort.« Er wandte sich zu Steel. »Hier ist jemand, der Eure Ansichten bestätigen kann, Captain. Er ist der Haushofmeister des Königs. Wir sprachen gerade über Oudenaarde und die missliche Lage des Marschalls.«
Der Neuankömmling blickte sorgenvoll drein. Dann holte er ein Seidentuch aus der Westentasche und tupfte sich die Stirn, ehe er sprach. »Der König ist sich der Tragweite der Situation wohl bewusst. Sechstausend Tote und Verwundete, Neuntausend Mann sind in Gefangenschaft geraten, darunter achthundert Offiziere. Allein in Flandern haben wir auf diese Weise fünfzehntausend Mann verloren.«
Der Maskierte versuchte, den Neuankömmling mit einer Geste zu beschwichtigen. »Kein Grund zu jammern, Monsieur. Frankreich wird nicht erobert.«
»Aber feindliche Truppen sind auf unserem Boden!«, empörte sich der kleine Mann. »Im Augenblick verwüsten die Alliierten das Artois und brennen ganze Dörfer und Städte nieder. Vieh wird getötet, die Menschen müssen ihre Häuser verlassen, Frauen wird Gewalt angetan, wie es heißt. Genau so haben sie es vor fünf Jahren auch in Bayern gemacht.«
Steel sah sich gezwungen, das Wort zu ergreifen. »Den Frauen wird keine Gewalt angetan, Monsieur. Das kann ich Euch versichern.«
»Woher wollt Ihr das wissen, Monsieur? Was befähigt Euch zu dieser Einschätzung?«
»Ich war in Bayern, Monsieur. Es kam zu keinen Vergewaltigungen, das kann ich beschwören. Keine Toten, nur die Unglückseligen, die Truppen zum Opfer fielen, die sich für Marlboroughs Männer
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