Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
geb’s zu. Aber ich beneide dich, Jack, mit deiner Henrietta. Wie sehr ich mir wünsche, so ein Mädchen kennenzulernen. Aber wann immer ich spüre, dass mein Herz sich binden will, mache ich einen Rückzieher. Ein Soldat ist nun mal kein Ehemann für eine junge Frau. Wir müssen alle sterben, Jack.«
Steel verneinte mit einem Kopfschütteln. »Nein, das glaube ich nicht. Du und ich, wir werden es durch den Krieg schaffen, bis zum Ende. Und dann treffen wir uns in unserem Elternhaus wieder, mit unserer Familie und den Freunden. Daran musst du glauben, wenn dunkle Zeiten anbrechen.«
Alexander blickte nachdenklich drein. Steel wusste, was sein Bruder fühlte: Dieses Treffen war viel zu kurz. Schließlich schaute Alexander auf und sagte: »Wie lange wirst du in Paris bleiben? Werden wir uns noch einmal sehen?«
»Ich fürchte nein. Gleich morgen breche ich wieder auf, es sei denn, ich werde enttarnt. Denn mein Auftrag ist eigentlich längst erfüllt.«
»Das freut mich zu hören. Was immer es war, es geht mich als Soldat nichts an. Ich bin kein Spion und möchte auch nie einer sein. Und für dich wäre es auch besser, Jack, wenn du dich nicht wieder in so eine Rolle drängen lassen würdest. Du bist ein guter Soldat – ein Held, soweit ich das deinen Erzählungen entnehmen kann. Bleib bei dem Handwerk, auf das du dich verstehst. Aber jetzt sollten wir zurück ins Hospital. Am besten gehen wir auf getrennten Wegen. Pass auf dich auf, Jack. Ich werde alles tun, damit dir nichts geschieht und du zurück zu deinem Regiment kannst. Aber selbst ich habe meine Augen und Ohren nicht in der ganzen Stadt. Wir müssen aufbrechen.«
Sie bezahlten die Zeche und verließen die Taverne. Draußen auf der Straße legte Alexander seinem Bruder eine Hand auf die Schulter. »Pass auf dich auf, großer Bruder, und gib stets acht, wer hinter dir ist. Deine Feinde haben viele unterschiedliche Gesichter. Leb wohl, Jack, und alles Gute.«
Steel umarmte seinen Bruder. »Leb wohl, Alexander. Auf ein Wiedersehen. Hoffen wir, dass der Krieg dann ein Ende hat.«
Ein letztes Mal sahen sie einander an, ehe sie sich trennten. Steel hielt sich linker Hand, während Alexander die Straße rechts nahm, die ihn auf die neuen Boulevards des Königs führen würde.
Steel war nur wenige Meter gegangen, als er Schritte hinter sich vernahm, die schneller zu werden schienen. Wenn er Glück hatte, kam dort nur ein gemeiner Straßendieb. Sein Instinkt als Kämpfer riet ihm, sich dem möglichen Angreifer zu stellen, aber er verspürte nicht den Wunsch, sich mit einem Unbekannten auseinanderzusetzen. Daher beschloss er, seine Schritte zu beschleunigen.
Als er um eine Häuserecke gebogen war, eilte er in eine dunkle Seitengasse, blieb dort in den Schatten stehen und wartete, dass sein Verfolger vorbeilief. Und richtig: Als der Mann an der Gasse vorbeikam, konnte Steel im Mondlicht einen Blick auf das Profil des Fremden erhaschen. Er erkannte den Mann: Es war O’Driscoll, der Ire, den er im Refektorium getroffen hatte.
Steel wartete noch einen Augenblick, bis der Mann etliche Yards die Straße hinuntergegangen war. Dann lauschte er, hörte aber keine Schritte mehr. Aus der engen Straße drangen Geräusche an seine Ohren. Ein Hund kläffte. Irgendwo in einem der Häuser schrie ein Kleinkind. Das schrille Lachen einer Frau schallte aus einem der Fenster gegenüber. Aber Schritte hörte er keine mehr.
Schließlich verließ er die Seitengasse und setzte seinen Weg auf der Straße fort, die zum Hospital führte. Kaum hatte er zehn Schritte gemacht, hörte er eine Stimme hinter sich.
»Captain Johnson, Sir, nicht wahr?«
Steel ging einfach weiter.
Der Mann versuchte es noch einmal. Lauter diesmal. »Wartet doch einen Augenblick, Sir. Ich bitte Euch, Captain. Ich muss Euch sprechen, Sir, in einer dringlichen Angelegenheit.«
Diesem Mann konnte er jetzt nicht mehr aus dem Weg gehen. Steel wusste nicht, wie viel O’Driscoll gesehen hatte. Hatte der Ire ihn und Alexander beobachtet? Hatte er womöglich das Gespräch belauscht? Wahrscheinlich würde der Bursche versuchen, ihn zu erpressen. Was auch immer O’Driscolls Beweggründe waren, Steel ahnte, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als den Kampf zu suchen und den Mann tot auf dem Kopfsteinpflaster zurückzulassen.
Er blieb stehen, drehte sich um und blickte dem Iren ins Gesicht. »Kenne ich Euch?«
»Nein, aber ich kenne Euch. Zumindest weiß ich, was Ihr seid, Captain Johnson, oder wie Ihr immer
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