Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
Capitaine des Mousquetaires du Roi –, war erst vor Kurzem verstorben. Nur wenige Insassen des Hôpital wussten überhaupt, dass der Raum wieder zur Verfügung stand.
Alexander wohnte in einem Seitenflügel des Komplexes, in einer ebenfalls bescheidenen, aber sauberen Unterkunft. Steel glaubte nicht, dass er seinen Bruder vor seiner Abreise noch einmal sehen würde. Deshalb hatten die beiden sich bereits am Abend zuvor draußen vor dem Tor Lebewohl gesagt. Während Steel nun den Blick über die Orangenbäume unten im Garten schweifen ließ, fragte er sich, wann er Alexander wiedersehen würde. Er betete, dass es zu keiner Begegnung auf dem Schlachtfeld kommen möge.
Es klopfte an die Tür. Als Steel öffnete, sah er einen blau gekleideten Insassen des Hôpital, einen Bediensteten, den er nicht kannte. Der Mann trug weder einen Degen an der Seite noch einen Hut auf dem Kopf, und als er etwas sagte, sprach er mit gutturalem französischem Akzent, den Steel kaum verstand.
»Captain Johnson, ich habe eine Nachricht für Euch von Major Charpentier. Er bittet Euch, ihn so schnell wie möglich in seinen Räumlichkeiten aufzusuchen. Es ist dringend.«
Augenblicklich war Steels unbeschwerte Stimmung verflogen. Was, so überlegte er, mochte dieses »es ist dringend« in Wirklichkeit bedeuten? Hatte doch jemand in der Nacht zuvor das Zusammentreffen mit O’Driscoll und dessen Schergen beobachtet?
»Danke«, erwiderte er ruhig. »Ich komme gleich.«
Der Mann hüstelte höflich. »Ich habe die Weisung, auf Euch zu warten, Sir. Wenn Ihr erlaubt.«
Steel griff nach dem Uniformrock, den er über einen Stuhl gehängt hatte, zog ihn über die Weste und folgte dem Boten. Sie eilten über die Flure und erreichten den Vorraum zu Charpentiers Räumlichkeiten. Der Bedienstete öffnete die Tür zum Besprechungszimmer und bat Steel herein, ehe er die Tür wieder schloss. Steel war kaum eingetreten, als er das unbestimmte Gefühl verspürte, das Zimmer gleich wieder zu verlassen.
Denn es war nicht Charpentier, der auf ihn wartete, sondern niemand anders als Malbec. Wie beim letzten Mal stand der Major auch jetzt am Fenster neben dem großen Tisch und betrachtete die dort versammelten Miniatur-Soldaten. Steel dachte an die warnenden Worte seines Bruders.
Jetzt fiel ihm auf, dass die Zinnfiguren anders aufgestellt worden waren und dass man die Landschaft auf der grünen Tischoberfläche neu gestaltet hatte. Auf der einen Seite waren die Figuren in roten und blauen Uniformen versammelt, auf der gegenüberliegenden Seite die weiß-grauen Soldaten. Es mochten weit über tausend Männer sein, die dort Aufstellung bezogen hatten.
Malbec schaute auf und lächelte, als Steel eintrat. »Ah, Captain Johnson. Major Charpentier wird gleich hier sein. Er wurde zu einer dringlichen Angelegenheit gerufen. Aber es ist gut, dass Ihr jetzt hier seid. Vielleicht könntet Ihr mir bei einer kleinen militärischen Übung mit den Figuren behilflich sein, bis der Major zurückkommt. Ich denke, Ihr werdet es recht amüsant finden.«
Steel trat an den Tisch und spielte seine Rolle, obwohl ihn eine böse Vorahnung überkam. Die Sorglosigkeit des Morgens war verflogen. »Mir scheint, Ihr habt eine kleine Schlacht im Sinn, Major. Ihr habt die Infanterie in Linienformation gebracht, wie ich sehe. Das sieht großartig aus.«
»Nicht wahr? Aber Ihr müsstet Euch einmal die Sammlung des Königs in Versailles ansehen. Das hier ist nichts im Vergleich dazu. Zwanzigtausend Soldaten hat er in seiner Sammlung! Quelle spectacle! Möchtet Ihr bei einer kleinen Übung mitmachen?«
Steel nickte. »Eine faszinierende Vorstellung. Wie wollen wir spielen? Ist es wie beim Schach? Oder sollten wir Karten zu Hilfe nehmen?«
Malbec lächelte. »Nein, das wäre zu einfach, mein lieber Captain. Aber für einen Soldaten wie Euch könnte nichts einfacher sein. Reiter, Fußtruppen und Geschütze rücken alle eine bestimmte Anzahl Zoll vor. Das Feuer und das Gefecht werde ich erläutern, während wir vorrücken. Wisst Ihr, auf diese Weise hat unser König die Kunst der Kriegsführung erlernt. Und genau das ist der Grund, warum im Verlauf der letzten sechzig Jahre die Streitkräfte von Frankreich die unangefochtenen Meister auf dem Schlachtfeld sind.«
Steel unterließ es bewusst, auf diese unterschwellige Anspielung einzugehen.
»Und jetzt, Captain«, fuhr Malbec fort, »frage ich mich gerade, welche Seite Ihr nehmen möchtet. Vielleicht die, zu der Euer Uniformrock farblich
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