Stefan Bonner und Anne Weiss
geht. Wir wollen nicht akzeptieren, dass es den perfekten Moment zum Kinderkriegen einfach nicht gibt – und warten oft vergeblich auf ihn.
Kinder sind dank Aufklärung, Pille und Pariser für uns eine bewusste Entscheidung. Doch ein Grundproblem der Generation Doof ist, dass wir uns nicht entscheiden können. Wir wollen ein fach nicht erwachsen werden.
»Ich will fünf Kinder! Und ich hätte so gern eine Familie. Aber ich kann mich nicht ent-
scheiden.« Claudia Rusch Unser Zögern hat einen Grund: Wir sind es gewohnt, nur unter den richtigen Vorzeichen ein echtes Wagnis einzugehen. Anders als unsere Eltern mussten wir in unserer Kindheit keine Entbehrungen ertragen; Mama und Papa räumten immer alle Steine für uns aus dem Weg. Jetzt müssen wir den Laden selber schmeißen und unsere Probleme selbst lösen, was uns ziemlich viel Zeit kostet und mühe voll ist. Wie soll man sich zwischen Haushalt, Beruf, Partnerschaft und Power-Yoga-Kurs noch um ein Kind kümmern?
Die Blagen sorgen darüber hinaus dafür, dass wir selbst nicht mehr im Mittelpunkt stehen. Aber warum sollten wir freiwillig mit jemandem zusammenleben, der uns nicht nur die Haare vom Kopf frisst, sondern darüber hinaus auch noch die Show stiehlt? Kein Wunder, dass uns die Entscheidung für ein Kind schwerer fällt als die für den richtigen Job, den passenden Partner oder das geeignete Shampoo. Die Generation Doof mag es unverbindlich und bequem und ist daher nicht gut als Nachwuchsproduzent geeignet.
Gute Gründe sind nicht von schlechten Eltern – Die besten Ausreden für Kinderlose Ist es wirklich wahr, dass wir keine Kinder wollen und Familie spie ßig finden? Bisweilen kommt es einem so vor, als ob die Kinderlosigkeit und die demografische Entwicklung die Erfindung irgendei nes weltfremden Statistikers wären, der ein bisschen zu tief ins Glas geschaut hat. Ein geburtenschwacher Jahrgang soll den nächsten jagen? Kaum zu glauben, wenn man am Prenzlauer Berg in einem Café sitzt, wo einem die Blagen um die Beine wuseln. Wenn so ein putziger kleiner Schreihals einem die Fingerchen entgegenstreckt, die gerade noch den Inhalt der eigenen Windel erforscht haben, möchte man statt Bewunderungsrufe auszustoßen lieber Ferien auf Sagrotan machen. Mitunter würde man sogar am liebsten eine Petition für die Kinderlosigkeit der deutschen Akademikerinnen un-terschreiben, die am Nebentisch gerade über die Erfahrungen aus dem PEKiP-Kurs sprechen und darüber, dass Kinderkriegen zwar auch eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft ist, aber vor allem sooo erfüllend.
»Das Angenehme an den Kindern von Ver wandten ist, dass sie am Schluss nach Hause
gehen.« Cliff Richard Doch die Statistik hat recht, und die eigene Wahrnehmung trügt. Mütterballungsgebiete wie die Stillcafés am Prenzlberg und anders-wo sind nicht repräsentativ für den Rest der Republik. Sie zeigen nur, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen keine Hemmungen mehr haben, mit ihrem Nachwuchs am öffentlichen Leben teilzu-nehmen.
Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung ermittelte in der Studie Kinderwünsche in Deutschland. Konsequenzen für eine nach haltige Familienpolitik, dass die Deutschen im Vergleich zu anderen Europäern den geringsten Kinderwunsch haben. Anders als Frau-en aus Polen und Finnland, die im Schnitt mehr als zwei Kinder möchten, pendelt sich der Kinderwunsch der deutschen Frauen zurzeit bei einem Mittelwert von 1,75 Kindern ein. Männer wollen sogar noch weniger Kinder. Das Hamburger Institut für Freizeit forschung fand heraus, dass immer weniger junge Männer eine Familie gründen und Verantwortung übernehmen wollen.
»Bildung macht frei« Graffito Ingrid Hamm, die Geschäftsführerin der Robert-Bosch-Stiftung, nennt im Vorwort der Studie noch einen anderen Grund für die lasche Lust auf Nachwuchs der gebär-und zeugungsfähigen Men schen in Deutschland: Nicht nur die sozialen und politischen Rah-menbedingungen seien alles andere als ideal. Vor allem schränkten Kinder den persönlichen Spielraum ein, und dies sei vor allem für die befragten Frauen ein Grund gewesen, sich gegen Nachwuchs zu entscheiden. Die Zauderer möchten also nicht auf den gemüt lichen Sonntagmorgen und die Karriere im Marketing verzichten. Sie wollen ihr sauer verdientes Geld nicht in Babygläschen und Ba-bykindersitze stecken, sondern lieber in ein seidiges Babydoll und den neuen Baby-Cayenne aus Zuffenhausen.
Wir wollen Spaß, keine Herdprämie. Und wir wollen ihn uns nicht
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