Stefan Bonner und Anne Weiss
Accessoire.
Um sich ein possierliches und adrettes Vorzeigekind he-ranzuziehen, sind daher von Anfang an das richtige Modell des Kinderwagens und Urlaube ebenso nötig wie die modernste Un-terhaltungselektronik und die richtige Markenkleidung (»Meine Schwiegereltern waren in Italien«, seufzt da eine siebenunddreißig-jährige Mutter verzückt, »und sie haben unserer Süßen echte BabyGraziella-Sachen mitgebracht!«). Die weniger Betuchten von uns Doofen nehmen Kredite auf, damit ihre Kinder eine Playstation oder ein Handy auf Raten haben können.
Seinem Kind alles kaufen zu können und es auch kaufen zu wollen, heißt jedoch nicht, es mit den überlebenswichtigen Grund-lagen fürs Leben auszustatten. Denn wenn es seine Videospiele in die Ecke gepfeffert hat und mit dem elterngesponserten Cabrio ins Erwachsenenleben donnert, sollte es mehr im Gepäck haben als die Erinnerung an eine sorgenfreie Kindheit mit Kindergeburtstagen bei McDonald’s, bei denen es elektronische Spielzeuge hagelte.
Die Schere klafft immer weiter auf. Da sind auf der einen Seite die Eltern mit wenig Zeit und geringer Barschaft, die glücklich sind, wenn sie die Erziehung den überforderten Lehrern überlassen kön-nen, um in Ruhe ihren Zweitjobs oder einer erfüllenden Tätigkeit mit einer Flasche Pils am Büdchen nachzugehen. Sie sind schon froh, wenn sie ihrem Nachwuchs ab und zu mal was für die Disco zustecken können. Auf der anderen Seite stehen die Eltern, deren Kinder von Montag bis Freitag mit der Familienkutsche herum-gefahren werden: zum Wasserballett, zum Karate nach den Kung-Fu-Filmen der Siebziger und zur Seidenmalerei nach ayurvedischer Farbenlehre.
Seinen Kindern einen vollen Freizeitstundenplan zu ermöglichen ist jedoch nicht unbedingt die bessere Art, sie zu erziehen. Hier meint man es gelegentlich zu gut. Yvonne, achtundzwanzig, erzählt, wie ihr Nachhilfeschüler ihr mit dem Handy in der Hand die Tür öffnete und noch hineinquakte: »Heute Abend kann ich nicht, da hab ich Golf. Simse dich morgen mal in der Schule an, der Rest der Woche ist echt ausgebucht, und am Wochenende fah ren wir zu Oma nach Sylt. Muss jetzt mal Schluss machen, meine Individualtrainerin steht vor der Tür …«
Wenigstens können es sich die Eltern solcher Lendenprodukte meistens leisten, ihren Nachkommen im Anschluss an die kräfte-zehrende außerschulische Bildung neben einem Karibik-Urlaub auch noch den Aufenthalt im Schweigekloster und die studienbe gleitende Psychotherapie zu bezahlen. Schlauer werden sie dadurch nicht unbedingt – und für die Probleme anderer bekommen sie auch keinen Blick.
Immerhin wachsen diese Kinder mit einem gesunden Konsum-bewusstsein heran: Uns gefällt, was teuer ist. Es macht sicherlich Spaß, sein Kind auszustaffieren und damit bei denjenigen Neid zu erregen, die sich das nicht leisten können. Das Herz einer jeden Münchner Schickimicki-Mutter mit gewaltigem Sprung in der Designerschüssel schlägt bei Überschriften wie »Pimp your kid« höher. »Warum soll nicht auch Kindern vergönnt sein, was sich Mama und Papa leisten?«, hieß es in dem dazugehörigen Artikel im Magazin der Süddeutschen Zeitung.
Beschrieben wurden die wohltuenden Effekte von Fußmassage und Schoko-Shampoo sowie der Segen von aufpolierten Fin gernägeln für Sohnemann und Töchterlein. Frühe Gewöhnung an solcherlei Luxus macht aus den Kindern später willige Käufer von Schönheitsprodukten.
Das denken sich wohl auch viele Wellness-Hotels und bie-ten inzwischen Aufenthalte für ihre kleinen Kunden an. Wobei das, was früher ein Besuch auf dem idyllischen Bauernhof war, im Hochglanz-Prospekt als schickes »Rendez-vous mit der Kuh« beworben wird. Auch eine Aromaöl-Behandlung darf natürlich nicht fehlen. Was aber müssen wir uns unter dem Programm-punkt »Gegenseitiges Massieren« vorstellen?!
»Das konnten meine Kinder immer schon sehr gut: Werbesprüche zitieren.« Eine stolze Mutter Wer seinen Kindern etwas Besonderes gönnen will, der muss sich schon ins Zeug legen. Hier ist eine Menge Geld im Spiel, und so ist es nur verständlich, dass die Werbebranche Kinder als Zielgruppe malzbierernst nimmt. Und dabei geht es nicht nur um reine Kin deraccessoires, Urlaube oder Spielzeuge. Die Meinung von Junior spielt auch bei den Kaufentscheidungen der Eltern eine immer grö ßere Rolle – so stark wie heute konnten Kinder noch nie mitbe-stimmen, wofür das Geld ihrer Erziehungsberechtigten ausgegeben wird.
Laut der Zeitschrift
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