Stefan Bonner und Anne Weiss
ihr Waschmittel teurer geworden?« – »Na, mindestens zwei Euro«, antwortete Herr Proper im Brustton der Überzeugung. Aber knapp daneben ist eben auch vorbei. In Wirklichkeit war das Waschmittel lediglich um 0,12 Euro teurer geworden.
Dass viele von uns nicht rechnen können und uns der Daumen zum Drüberpeilen oft die Sicht raubt, weil er zu dick ist, zeigt sich auch bei der Schnäppchenjagd, einem beliebten deutschen Hobby. Für den Beobachter gilt: Das Schöne an dieser Disziplin ist, dass sie wie kaum eine andere Auskunft über elementare Bildung und Lebensschläue des Probanden gibt. Und wir können das Ergebnis ruhig vorwegnehmen: Selbst beim Geheiligt-sei-was-billig-ist stel len wir uns ziemlich dämlich an.
Nehmen wir noch einmal das Beispiel Mehrwertsteuer: Die Erhöhung der unfreiwilligen Abgabe zog den Schnäppchenjägern das Geld aus der Tasche. Im Januar 2007 lockten große Kaufhäu ser und Medienmärkte mit Rabattaktionen (»Wir schenken Ihnen die Mehrwertsteuer«). Wer große Anschaffungen nicht bereits im Dezember des Vorjahres getätigt hatte, schlug noch einmal zu. Die vermeintlichen Sparfüchse strömten zuhauf in die Läden und wieder hinaus, beladen mit Flachbildfernsehern, Computern und Stereoanlagen. Später mussten dann viele feststellen, dass man sie gehörig über den Löffel halbiert hatte. Die meisten Händler hatten ihre Preise still und clever bereits im Jahr zuvor erhöht. Das hat-ten die meisten Käufer aber nicht mitbekommen, geschweige denn, dass sie überhaupt kapierten, welche Logik dahinter steckte. Dumm gelaufen. Dieses Verfahren von Augenwischerei ist inzwischen so verbreitet, dass es bereits einen Namen hat: Mondpreise.
Herr Proper & Co. sind mit ihrer Rechenschwäche und dem mangelnden Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge nicht alleine. Die Künste der Mathematik wie auch die Geheim nisse der Wirtschaft sind im sogenannten Land der Dichter und Denker vielen ein völliges Rätsel. Und damit sind nicht nur all jene Schüler gemeint, die ihre Matheprüfung im Abi mit null Punkten versiebt haben, weil sie an einer Rechenaufgabe scheiterten. Auch uns Erwachsenen sind Zahlen so unsympathisch, dass wir kaum etwas mit ihnen zu tun haben wollen.
Weil wir keine Ahnung davon haben, zahlen wir oft drauf, wenn es um die liebe Barschaft geht. Laut Statistischem Bundesamt sind 3,1 Millionen deutsche Haushalte überschuldet, also jeder zwölfte. Gläubiger sind allerdings nicht immer die Banken, wie man vermuten mag, sondern mindestens ebenso oft Versandhäuser oder Telefongesellschaften. Eigentlich kein Wunder, kann man doch mittlerweile bei jedem Mediendiscounter an der Ecke den neues ten Flachbildfernseher auf Pump kaufen, ohne sich vorher bera ten lassen zu müssen, ob man die Finanzierung überhaupt tragen kann. Auch im Langzeittrend stehen die deutschen Schnäppchen jäger nicht gut da: 1990 lag die Zahl der privaten Bankrotte noch bei 4541, fünfzehn Jahre später waren es dagegen knapp 100 000. Überhaupt ist seit Einführung der Privatinsolvenz im Jahr 2002 die Zahl der privaten Pleiten förmlich explodiert, von knapp 17 000 im Jahr 2001 auf rund 47 000 im darauffolgenden Jahr.
Doof verschuldet sich, ohne nachzudenken.
Wer keine Ahnung vom Umgang mit Geld hat, der kann auch nicht für sein finanzielles Wohl sorgen. Der Grund für diese Unwissenheit: Niemand interessiert sich mehr für die Hintergründe. Was Boulevardpresse und Privatfernsehen nicht niveaugerecht vor-kauen und was nicht mit einem Mausklick so einfach abrufbar ist wie die Tabellen der Call-by-Call-Anbieter findet keine Beachtung. Und wer es nicht gewohnt ist, sich ein Thema zu erarbeiten, und lieber seine Informationen kurz, knapp und zusammenhanglos im Fernsehen oder im Internet besorgt, der ist nicht mehr in der Lage, den großen Gesamtzusammenhang herzustellen. Das wäre ja an sich noch nicht so schlimm, aber das Fatale ist, dass wir selbst fel-senfest davon überzeugt sind, genug zu wissen.
»Bildung kommt von Bildschirm und nicht von Buch, sonst hieße es ja Buchung.«
Dieter Hildebrandt Unsere feiste Selbstgerechtigkeit und die damit verbundene geis tige Dürre sind Indizien dafür, dass Bildung zur Einbahnstraße geworden ist – und dass wir in die falsche Richtung fahren. Es reicht also nicht, über ein Bildungsangebot zu verfügen, wenn es niemand anschaut und richtig anwendet. Die Quellen, aus denen wir unser Wissen speisen können, finden bei der Generation Doof immer weniger Anklang.
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