Stefan Bonner und Anne Weiss
Erklärung: Wer mailt, steht so unter Strom, dass ein persönlicher Kontakt zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Und für sinnloses Geseiber hat der Mailschreiber im Moment wirklich keine Zeit. Besonders beliebte Accessoires sind in solchen Fällen BlackBerrys und das Handy, das man auf keinen Fall ausstellen darf.
Christina Lenker hat mittlerweile ein Potpourri aus beliebten Vertuschungs-und Selbstbeweihräucherungsstrategien verinnerlicht. Und es hat sich ausgezahlt: Obwohl ihr Wissensstand über ihr tägliches Geschäft immer noch kümmerlich ist, hat man sie nach zwei Jahren in der Firma zum ersten Mal befördert. Vor ihrer Jobbezeichnung »Projektmanager« steht jetzt ein »Senior«. Eigentlich doof, findet sie, schließlich ist sie ja erst Anfang dreißig. Dass es dafür mehr Geld gibt, ist ihr jedoch sehr recht.
Auch die Berufsbezeichnungen der Kollegen sind wohlklingen-de englische Titel, deren Bedeutung keiner richtig versteht oder erklären kann. Auch dies ist ein Phänomen der Generation Doof, denn so klingt unser Job gewichtig, selbst wenn er es gar nicht ist. So wird aus der Putzkolonne schnell mal ein Geschwader von »Assistant Cleaning Managern«. Auch »Controller« können häu-fig nicht erschöpfend erklären, was sie kontrollieren. Christina hat nach langer Zeit endlich herausgefunden, dass der Controller in ihrem Unternehmen immer noch im guten alten Rechnungswesen arbeitet – doch das klingt natürlich längst nicht so cool.
Solche Absurditäten fallen in der allgemeinen Sprachverwirrung des Bürolebens gar nicht weiter auf. Die Generation Doof bedient sich nur allzu gerne englischer Fachtermini, weil das im Zweifelsfall kompetenter klingt. Angenehmer Nebeneffekt für prekäre Situationen: Aus Angst vor Entdeckung des eigenen Unwissens wird niemand so schnell nachfragen, ob man ihn womöglich gerade beleidigen wollte. Auf diese Weise lassen sich auch unangenehme Wahrheiten und anzügliche Bemerkungen entspannt an den Mann oder die Frau bringen.
Marketingsprache für Anfänger. Ein Schnellkurs.
Es ist signifikant, dass sich jeder auf seine Kernkompetenz fokussiert. So richtig Ahnung von eurem Job habt ihr alle nicht, oder? Der Senior Assistant to the Board wird das Reengineering des Workflows supervisen.
Irgendwas läuft hier nicht rund, aber keine Ahnung, was. Der Typ, dessen Namen ich vergessen hab, soll die Suppe auslöffeln. Aber frag mich nicht, was der machen soll!
Sorry, du solltest deine Contenthaltung optimieren. Los, räum endlich mal deinen Saustall auf. Für das Incentive sollten wir eine Corporate Identity als Eyecatcher für die Face-to-Face-Kommunikation andenken.
Kommt, auf der Firmenfeier verkleiden wir uns alle. Da stehen die Weiber drauf und dann geht’s zur Sache!
Die Hospitality war beim Joint Venture ein wenig zu interaktiv! Hören Sie auf unsere Geschäftspartner zu befummeln! Nach dem Briefing sollten wir die Basics dann in das neue Bran ding implementieren.
Okay, wenn wir mit dem Gelaber fertig sind, muss irgendwer den gan zen Quatsch umsetzen.
Der Produktivität unseres Unternehmens mangelt es an der Reli-ability.
Wir sind so was von am Arsch.
Das Bundling der Leaflets vor dem Kick-off würde ich gerne dele gieren.
Soll doch jemand anderes die Scheißblätter zusammentackern.
Ist eigentlich die 2M-DSL-Leitung mit Glasfaserscrambling schon mit dem Backbone des Rooters verswitcht worden?
Gibt’s Internet in dem Sauladen hier?
Die Cash-Burn-Rate hat den Peak-Point erreicht. Verdammt, wir sind pleite! Christina spricht das Büro-Kisuaheli mittlerweile fließend. Muss sie auch, denn sie will von null auf hundert Karriere machen: Mit null Können auf hunderttausend Ocken im Jahr. Der beste Weg auf den ersehnten Ledersessel, zum Geschäftswagen und zu GalaDiners auf Firmenkosten ist natürlich immer noch die ungehemm te, bedingungslose Versklavung, kurz Überstunden genannt. Frei willig und unbezahlt, versteht sich. Wer morgens von den Kollegen mit »Na, wie geht’s?« begrüßt wird, sollte mit müdem Blick und gequälter Stimme aus dem Stand überzeugend erwidern können: »Ach, ganz okay, aber ich hab gestern wieder bis zehn Uhr hier gesessen!« Was Sie in der Zeit machen, die Sie abends im Büro verbringen, ist freilich Ihre Sache. eBay ist eine Variante. Aber das geht niemanden etwas an, genauso wenig wie die Tatsache, dass Sie den halben Tag im Büro mit Internetsurfen, Kaffeetrinken und in un-nötigen Konferenzen vertändelt haben. Die Generation Doof
Weitere Kostenlose Bücher