Stefan Bonner und Anne Weiss
natür-lich schon aus unserer Jugend gewohnt, als unsere Kinderzimmer förmlich in einer Spielzeugflut versanken: Playmobil-und LEGO-Figuren wetteiferten abwechselnd mit Barbie und Ken um unsere Gunst; neben dem Atari 2600 kannten wir uns ebenso gut mit dem spannenden C 64 des besten Freundes aus; mit den unzähligen Ge sellschaftsspielen und Puzzlekästen hätten wir in Schweden eine Blockhütte bauen können; und mit jeder guten Schulnote wuchs die Videosammlung. Da blieb nicht viel Zeit für Hausaufgaben, Musikunterricht oder Sportverein übrig, und wenn doch, dann war auch dabei Multitasking gefragt.
Diese Fähigkeit hilft uns heute, das enorme Pensum zu bewäl-tigen, dem man sich gegenübersieht, wenn man die Dutzende von DVDs, kopierten CDs und heruntergeladenen Spielen alle sehen, hören und benutzen will. Das kann nur klappen, wenn man allem höchstens einen kurzen Blick widmet. Das Überangebot an leichter Kost erhöht aber auch das Frustpotenzial, weil man sich keiner Sa che mehr ganz und gar widmen kann. So viel Auswahl ist anstren gend – wie soll man da überhaupt noch vernünftig faulenzen?
Wenn einen also alles überfordert, dann hilft nur noch BlödTV. Nach einem Abend Echtzeit-Zapping überfällt uns jedoch unweigerlich eine merkwürdige Unzufriedenheit. Wenn wir nach wildem Umgeschalte von einer Sendung zur nächsten ge gen Mitternacht Erbarmen mit uns haben und den roten Knopf auf der Fernbedienung drücken, scheint die Stille wehzutun. Mit starrem Blick sitzen wir noch einige Zeit auf dem Sofa und hören dem Flimmerkasten beim Abkühlen zu. Und wenn die Dauerbe schallung plötzlich verstummt, empfinden wir eine unendliche Leere.
Statler: »Mit den Jahren gefällt mir die Show immer besser.«
Waldorf: »Weil die Witze immer besser werden?« Statler: »Nein, weil mein Gehör immer schlech
ter wird!« Die beiden Alten aus der Muppet Show Früher war das mal anders. Da war Fernsehen noch etwas Beson deres. Freunde und Familie fanden sich zum gemütlichen Abend vor der Glotze ein und sahen sich gemeinsam eine einzige Sen dung an.
Damals gab es mindestens einen großen Fernsehabend in der Woche, der meistens auf einen Samstag fiel. Opa brachte eine Flasche lauwarmes Pils mit, Oma packte die große Pralinenpa-ckung aus, Vater und Mutter kamen leicht angesäuselt von einem Geschäftsessen und machten es sich auf dem Sofa bequem. Gespannt sah man zusammen entweder Wetten, dass?, Einer wird gewinnen oder Lass dich überraschen, und nicht wie heute üblich alles gleichzeitig. Zwischendurch stritten Alt und Jung gemüt-lich über das Waldsterben oder Atomkraftwerke – aber trotzdem schauten doch alle ziemlich gebannt in die Röhre. Vielleicht, weil Fernsehen damals noch halbwegs neu war, vielleicht aber auch, weil es damals einfach besser war.
Heute ist Fernsehen so seicht, dass wir weder Freunde noch Familie brauchen, die aus dem Fernsehabend ein Gemeinschafts-erlebnis machen. Die würden ohnehin nur stören, weil sie uns rück-sichtslos vollquaken, während wir doch nur entspannt vor der Kiste sitzen möchten. Unsere ohnehin schon arg strapazierte Konzentra-tionsfähigkeit würde wohl vollends überfordert.
»Das Fernsehen macht aus dem Kreis der Familie einen Halbkreis.« Rolf Haller Die Konzentration leidet auch dann, wenn wir gemeinen Zapper und Nebenbeigucker uns einmal länger auf einen komplexeren Zu sammenhang konzentrieren sollen. Dies ist vor allem bei der Aufnahme von Nachrichten der Fall, die ein wenig Hintergrundwissen und Mitdenken verlangen. Kein Wunder, dass sich die Vermittlung der »News« inzwischen ganz an den Essgewohnheiten der Generation Doof orientiert: Man serviert uns nur mundgerechte Fastfood-Häppchen.
Nachrichtenfieber – Von Shortnews, dem Siegeszug des Boulevards und Brüsten mit Namen Wir Doofen haben mit unserer zerhackstückten Aufmerksamkeit die Medienlandschaft stärker umgestaltet, als wir selbst es für mög-lich gehalten hätten. Denn neben den Machern von Doof-TV und »Unterschichtenfernsehen« liefern auch die Printmedien inzwischen immer mehr Formate, die speziell auf den seichten, schnellen Genuss zugeschnitten sind.
Bewährte Tageszeitungen wie DIE WELT kommen neuerdings im handlichen Kompaktformat daher. Billig, kurz und knapp sol-len sie uns einen Überblick über die Geschehnisse des Tages geben. Sie heißt auch »Zeitung to go«, aber schon dieser Name ist so über flüssig wie ein EMMA-Abo für Eva Herman. Was bitte soll man denn sonst damit
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