Stefan George - Karlauf, T: Stefan George
mehreren Blasensteinoperationen unterziehen. Schon im Juli 1915 hatte er sich für etwa vier Wochen in stationäre Behandlung begeben müssen. Eine Besserung brachte der Klinikaufenthalt nicht. In den folgenden Jahren scheint sich der Patient damit abgefunden zu haben, dass er oft wochenlang außer Gefecht gesetzt war und unerträgliche Schmerzen litt; »er fühle manchmal Schwächezustände, dass er sich an der Wand entlang greifen müsse«, heißt es im Februar 1916. 27 Nachdem im Sommer 1918 ein weiterer Klinikaufenthalt notwendig geworden war, erst in Heidelberg, anschließend in Berlin, unterzog sich George zwei Jahre später einer ersten Operation, die nur wenig Erleichterung brachte. Er leide große Schmerzen, klagte er im Mai 1921 dem behandelnden Urologen in Bad Wildungen, und habe daher einen Spezialisten in Berlin zu Rate gezogen, der eine neuerliche ernsthafte Entzündung diagnostizierte. Tägliche Radium-Borspülungen verschafften zwar vorübergehende Erleichterung, aber für die Nacht musste sich George jetzt immer häufiger einen Katheter setzen. September 1922 und September 1923 erfolgten zwei weitere Operationen in Bad Wildungen, dem bekannten Heilbad für Nieren-, Blasenund Steinleiden südwestlich von Kassel. Knapp ein halbes Jahr später wurde in Basel eine Diagnose gestellt, die einen weiteren, nicht ungefährlichen Eingriff notwendig machte. Nach Konsultation mehrerer Ärzte entschied George sich für einen Urologen in Berlin, der ihn Mitte Mai erfolgreich operierte. Er blieb geschwächt, war nach der Rekonvaleszenz aber weitgehend schmerzfrei.
Für George lag es nah, die Krankheit als Ausdruck des Grams um Gundolf zu interpretieren und sie als Druckmittel entsprechend einzusetzen.
Nicht wenige unter den Freunden akzeptierten diesen Zusammenhang und machten Gundolf für den jämmerlichen Zustand des Meisters mitverantwortlich. Im Streit um die Elli wäre es nie so weit gekommen, klagte George im Januar 1923, hätte man Gundolf Einhalt geboten. Aber die Freunde hätten gehandelt »wie achtlose ammen die dem kind die verderblichsten stoffe immer wieder zuführen weil sonst das liebe kind schreit und weint«. 28 Statt Gundolf dabei zu helfen, auf anständige Weise erwachsen zu werden, habe man von allen Seiten nur zu vermitteln versucht, wo es nichts zu vermitteln gab. Für ihn sei der Fall inzwischen »ekelerregend ja skandalös«.
Allerdings konnte sich George über mangelnde Unterstützung der Freunde nicht beklagen, im Gegenteil. Eilfertig machten die Höflinge ihrer Empörung Luft. 29 Zu den wenigen, die sich raushielten, gehörten Lechter und Wolfskehl. Im Februar 1922 notierte Lechter: »St. G. war in der vergangenen Woche bei mir. Mir wäre lieber er käme nicht mehr. Wegen Gundolfs Vaterschaft kamen wir erneut heftig aneinander. – So war er in früheren Jahren nicht … Wäre es doch anders – wir reden auch vollständig an einander vorbei, er dreht mir die Worte im Munde herum. Traurig, traurig, traurig!« 30 In diesen Tagen dürfte auch das Gespräch stattgefunden haben, in dem sich Wolfskehl zu Gundolf bekannte. »Karl: Ich kann ihn [d.i.Gundolf] nicht lassen. Ich habe ihn zu Ihnen gebracht. George (nach einigem Nachdenken): Karl, ich verstehe Ihr Bedenken.« 31 Da Wolfskehl von Dezember 1922 bis Juli 1925 in Italien lebte, haben sich George und er erst im Herbst 1925 wiedergesehen.
Von Frühjahr 1919 bis Dezember 1922 hat George alles daran gesetzt, Gundolf von Elli abzubringen. Als einer der Ersten wurde Edgar Salin vorgeschickt, der Freund Gundolfs, der immer nur im Vorhof gestanden hatte. Für den Dienstag nach Pfingsten, kurz vor seiner Abfahrt, hatte George ihn auf den Schlossberg zitiert, um ihm zu eröffnen, dass seine »wichtigste Aufgabe« in den kommenden Monaten darin bestehe, dem Freund die Frau auszureden. Deswegen sei er am Freitag vor dem Fest auch mit Gundolf bei ihm gewesen, damit dieser, wenn er zu Salin komme, fortan »die Nähe des Meisters mitempfinde«.
Es sei keine leichte Aufgabe, die Salin da übernehme, aber »vielleicht wird sie Ihnen leichter, wenn Sie bedenken, dass Sie mir helfen sollen«. 32 Auf diese Weise mobilisierte George jetzt den gesamten Kreis, bis hin zu Gundolfs Bruder Ernst, der Elli darlegen musste, dass es für sie am besten wäre, wenn sie eine Zeitlang verschwinden würde, schließlich müsse sie immer bedenken, »dass nicht Sie eine Gefahr für den Staat, sondern immer nur der Staat eine Gefahr für Sie ist«. 33
Nachdem sich gegen
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