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Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Titel: Stefan George - Karlauf, T: Stefan George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Karlauf
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vertreten und kaufte sich mit einer Einmalzahlung von allen Verpflichtungen frei. 11
    Nachdem er sich zehn Tage mit Agathe Mallachow vergnügt hatte, sehnte sich Gundolf Mitte Februar wieder leidenschaftlich nach Elisabeth Salomon. Mit der 13 Jahre jüngeren, attraktiven Studentin der Nationalökonomie, die 1914 im Heidelberger Umfeld Georges aufgetaucht war, hatte er seit langem ein Verhältnis. Elli war agil und umtriebig und wusste die Männer für sich einzunehmen. Auch George war von ihr angetan; während seines Aufenthaltes in Berlin im Hungerwinter 1917/18 brachte sie in Thormaehlens Atelier täglich eine kleine Kanne Milch für ihn vorbei. Im März und April 1918 führten sie viele Gespräche, etwa über die Zubereitung von Saucen mit Madeira und Brandy oder über böhmische Mehlspeisen. Anfang Oktober unterhielten sie sich einmal auch über Agathe Mallachow, was aus Georges Sicht nur den einen Zweck gehabt haben kann: Elli vor ähnlich unbedachten Schritten zu warnen. Im November besuchte er sie im Sanatorium – eine ungewöhnliche Auszeichnung, wenn man bedenkt, dass er Elisabeth Salomon zu diesem Zeitpunkt bereits als eine Bedrohung wahrgenommen haben muss.
    Elli kannte alle und jeden und galt in den literarischen Kreisen der Hauptstadt als kleiner Wirbelwind. 1919 veröffentlichte der Schriftsteller Albrecht Schaeffer im Insel-Verlag einen Schlüsselroman Elli oder Sieben Treppen , in dem er die »Karriere« der Studentin Elli über verschiedene Berliner Hintertreppen beschrieb. Elli mietet sich »unweit vom Savignyplatz in der Kantstraße ein Zimmer«, und bereits auf Seite 8 empfängt sie dort zum ersten Mal Herrenbesuch; für Eingeweihte war dieser Herr unschwer als Karl Wolfskehl zu identifizieren. Auf Seite 27 wird dann ein George-Gedicht zitiert (in voller Länge, was George juristisch die Möglichkeit gegeben hätte, gegen das
Buch vorzugehen). Nicht zuletzt auf Schaeffers Kolportageroman dürfte Georges späteres Diktum gemünzt gewesen sein, eine wie Elli »steht doch an allen Zentralbahnhöfen Europas«. 12
    Anfang 1919 kriselte es zwischen Gundolf und Elli. Der Grund war Gundolfs Eifersucht. Je mehr Bekanntschaften Elli machte und je länger er von ihr getrennt war, desto misstrauischer wurde er; nur wenn er sie in der Nähe hatte, hielt er es einigermaßen aus. Als Gundolf im Januar nach Heidelberg zurückging, sorgte er dafür, dass sie eine Anstellung an der Universität erhielt und bei Alfred Weber promovieren konnte; wenn sie keine Bleibe fände, würde er ihr ein Zimmer in der Villa Lobstein besorgen. 13 Gundolf geriet in eine schwere Schaffenskrise und sehnte sich nach nichts anderem mehr als danach, »meinen Kopf in deinen Schoß [zu] stecken, bis ich nichts mehr weiss und denke, und nichts fühle als was du mich fühlen lässt«. 14 George, der Anfang April bei Gundolf einzog, suchte gegenzusteuern: »Mir scheint dass du keinen anlass hast über den ›geist‹ so schlimm zu denken.« 15 George spürte, dass Gundolf mit anderen Dingen beschäftigt war und ihm zu entgleiten drohte, dies wollte er so nicht hinnehmen. Seit einiger Zeit führte er einen ähnlichen Kampf mit Robert Boehringer, der ihm Ende 1917 eröffnet hatte, dass er beabsichtige zu heiraten. Weil George das nicht akzeptieren wollte – »was bedeutet das für einen Menschen wie Robert für einen Zwang!« 16 -, ging Boehringer ihm seither aus dem Weg. Erst fünf Jahre nach seiner Eheschließung im Mai 1920 fanden er und George allmählich wieder zusammen.
    In der George-kritischen Literatur hat sich die Vorstellung durchgesetzt, Gundolf habe sich mit Ellis Hilfe von seinem Meister emanzipiert: »Erst in der Loslösung von ihm wurde Gundolf ganz er selbst.« 17 Eine solche Stereotype verkennt jedoch die Ausgangslage des Konflikts. Die Tragödie der Trennung offenbarte gegenseitige emotionale Abhängigkeiten, die mit den üblichen Instrumenten zur Beschreibung von Herrschaftsstrukturen nur unzureichend erfasst werden. Wer Georges Herrschaftsgelüste und Gundolfs weiches, willfähriges Wesen in einen kausalen Zusammenhang bringt und den Bruch nach mehr als zwanzig Jahren treuer Gefolgschaft als Befreiungsakt
versteht, greift zu kurz. Zu fragen, was aus Gundolf geworden wäre ohne den Kreis, wäre »genau so sinnlos, als wollte man wissen, was aus einem Mönch geworden wäre, wenn er nicht im Kloster gelebt hätte«. 18
    George litt unter der jahrelangen Auseinandersetzung nicht weniger als Gundolf, die Perspektive des

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