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Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Titel: Stefan George - Karlauf, T: Stefan George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Karlauf
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Möglichkeit ein, als Korrespondent regelmäßig über die jüngste literarische Entwicklung in Deutschland zu berichten. 38 Offenbar hatte es sich in Paris herumgesprochen, dass George den Franzosen
mangelhafte, einseitig am Naturalismus orientierte Berichterstattung über die neueste deutsche Literatur vorwarf. In der Februar-Nummer des Mercure de France war die Übersetzung zweier Verlaine-Gedichte durch Richard Dehmel gelobt worden, während Georges Übertragungen von Mallarmé, Verlaine und Jean Moréas im Dezember-Heft der Blätter dem Rezensenten entgangen waren. George ließ seinen Adlatus Klein ein geharnischtes Protestschreiben aufsetzen, in dem er Dehmel jede Berechtigung absprach, Verlaine zu übersetzen. 39 Gleichzeitig beschwerte er sich bei Saint-Paul, dass die Franzosen trotz seines Eintretens für sie in Deutschland sich als »sehr wenig kollegial« erwiesen. 40 In dem wenig später unter dem Namen »Carl August« in La Plume erschienenen »Lettre de Berlin« wurde der Kreis der Blätter für die Kunst kurzerhand zur einzig relevanten Bewegung in Deutschland erklärt. 41
    Unter dem Namen »Karl August« hatte George bereits im Oktober 1892 in L’Ermitage polemische Betrachtungen zur deutschen Gegenwartsliteratur erscheinen lassen. Die gesamte neuere deutsche Dichtung wurde dort in Bausch und Bogen als »gemein und lächerlich« verdammt. Zum Beweis wurden ohne Nennung der Autorennamen Reime zitiert wie: »Was ist mein Schatz? – Eine Plättmamsell. Wo wohnt sie? – Unten am Gries … Wo die Wiese von flatternden Hemden weht: Da liegt mein Paradies.« Würde sich die deutsche Dichtung tatsächlich auf solch erbärmlichem Niveau bewegen, so der Verfasser, »hätte weder ein Deutscher noch ein Ausländer nötig, sich mit deutscher Sprache, Sitten und Gebräuchen zu beschäftigen«.
    Noch fehlte zwar der Hinweis auf George und die Blätter für die Kunst , die in diesem Monat erstmals erschienen, aber die Sache war doch ziemlich durchsichtig. Hier versuchte ein »Karl August« auf dem Umweg über Paris die deutsche Literaturszene kräftig aufzumischen. Der Verdacht, dass sich hinter diesem Namen niemand anders als George selbst verbarg, wird dadurch zur Gewissheit, dass sich die Polemik in wesentlichen Punkten mit Ausführungen deckt, die er um die gleiche Zeit Albert Saint-Paul überreichte, der als Mitarbeiter von L’Ermitage den Text möglicherweise redigierte. Carl August Klein
jedenfalls »verfügte in dem Entstehungszeitraum nicht über die notwendigen Kenntnisse … und hatte überhaupt keine Begabung zum Schreiben«. 42
    Wichtiger als La Plume wurde für George die 1886 im belgischen Lüttich gegründete, von Albert Mockel, Henri de Regnier und Pierre M. Olin in Paris redigierte Zeitschrift La Wallonie . In Paris galt das Blatt zunächst als zweitklassig. In La Wallonie zu publizieren, komme »einer Verbannung in obskure Kohlenbergwerke« gleich, kommentierte Mallarmé ironisch, als einer seiner begabtesten Schüler, René Ghil, nach dem Scheitern seiner ehrgeizigen Pläne mit einer eigenen Zeitschrift, den Ecrits pour l’Art , im Sommer 1887 vorübergehend bei Mockel andocken musste. Ein Jahr später konnten sich die Ecrits pour l’Art mit dem Geld des wohlhabenden Amerikaners Stuart Merrill – und mit einer Kampfansage an den Symbolismus! – neu formieren. 43 Ende 1892, als die Blätter für die Kunst zu erscheinen begannen, wurden beide Zeitschriften, die Ecrits pour l’Art und La Wallonie , eingestellt und konnten deshalb zur Verbreitung von Georges Ruhm nicht mehr viel beitragen. Folgenreich für George waren sie aus einem anderen Grund geworden.
    Die Ecrits pour l’Art hatten offensichtlich Pate gestanden bei der Namengebung der Blätter für die Kunst . Ghils übertriebener Purismus hingegen fand mit Sicherheit nicht Georges Zustimmung, und auch die gegen Mallarmé gerichtete kritische Wendung des Blattes kann er nicht gutgeheißen haben. Als George im vorletzten Absatz seiner Betrachtungen über Mallarmé den Meister gegen unlautere Inanspruchnahme durch Zauberlehrlinge verteidigte, dachte er wohl auch an René Ghil: »Den weisen der die geheimen kräfte kennt und daraus den lebenerweckenden trank bereitet darf man nicht anschulden wenn der lehrling der durch die spalte gelauscht die heiligen handgriffe ungeschickt wiederholt und mit seinem brau die erschlaffung und den tod herbeiführt.« Die Schlusswendung, der Meister lasse seinen Schülern den Glauben »an jenes schöne eden

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