Steh dir nicht im Weg
Einwände finden?«
Frau Hausmann
: »Nun, wenn ich in ihrer Erziehung mehr Wert auf Leistung gelegt hätte, wäre sie doch bestimmt ehrgeiziger geworden.«
Freundin
: »Glaubst du wirklich, dass das nur an dir liegt, welche Eigenschaften deine Tochter entwickelt? Wenn ich mich richtig entsinne, hast du immer sehr viel Wert auf Ordnung gelegt und darüber hinaus deiner Tochter ein gutes Vorbild geliefert – und schau dir ihr Zimmer an!«
Frau Hausmann muss lachen
: »Du hast Recht! Was die Ordnung betrifft, haben alle meine Erziehungsversuche bis jetzt nichts gefruchtet. Ihr Mangel an Ehrgeiz hängt im Moment wahrscheinlich auch mit ihrem schwierigen Alter zusammen. Und wenn sie ihren ersten Liebeskummer zu verdauen hat, hat sie wohl verständlicherweise nicht viel Sinn für die Schule. Das wäre mir wahrscheinlich genauso gegangen.«
Freundin
: »Aha, das schreiben wir doch gleich auf, dass sie nicht an die Schule denkt, weil der Liebeskummer ihr viel mehr zu schaffen macht als ihre Noten. Was hast du denn nun falsch gemacht? Wie war denn bisher die Beziehung zwischen dir und deiner Tochter?«
Frau Hausmann
: »Bisher hatten wir immer eine prima Beziehung. Es ist ja erst jetzt so schwierig geworden.«
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Freundin
: »Das heißt, bis deine Tochter so etwa dreizehneinhalb war, musst du ziemlich viel richtig gemacht haben. Das schreiben wir doch sofort auf!«
Auf diesem Weg kämpfen sich die beiden Frauen durch sämtliche negativen Gedanken von Frau Hausmann, bis sie einen ganzen Stapel Blätter vor sich liegen haben, auf denen zu jedem einzelnen die Gegenargumente festgehalten sind. Nun erklärt die Freundin das weitere Vorgehen: »Jetzt kommt der entscheidende Schritt. Ich nehme mir die Liste vor, die wir als Erstes angelegt haben, mit all deinen negativen Gedanken. Die werde ich dir jetzt einen nach dem anderen vorhalten. Und nach jedem wirst du mit den Gegenargumenten, die auf deinen Zetteln stehen, kontern. Es macht gar nichts, wenn du die Gegenargumente erst einmal ablesen musst. Das wird mit der Zeit schon noch flüssiger. Ich werde bei diesem Gespräch deine innere Stimme sein. Die löst bei dir so schlechte Gefühle aus, weil sie gemein und provozierend ist. Und ich werde genauso gemein und provozierend sein, denn ich bringe nach außen, was sich sonst in deinem Inneren abspielt.«
Die beiden beginnen den eigentlichen Disput. Wie wichtig dieser Schritt ist, merkt Frau Hausmann, die sich durch das Sammeln der Gegenargumente schon besser fühlte, gleich beim ersten negativen Gedanken. Als ihre Freundin mit Entsetzen in der Stimme sagt: »Wie, ich habe gehört, deine Tochter ist versetzungsgefährdet? Wenn sie so weitermacht, schafft sie nie die mittlere Reife!«, entfährt ihr spontan: »Genau das befürchte ich ja auch!« Sofort spürt sie wieder den Druck im Magen. Sie wird von ihrer Freundin zur Ordnung gerufen und besinnt sich darauf, dass sie ja mit Gegenargumenten kontern soll.
Beim zweiten Anlauf liest sie die gesammelten Argumente vor. Das ist am Anfang noch nicht sehr überzeugend, wird mit der Zeit aber immer flüssiger und bald kann sie auf das Ablesen verzichten. Als die Freundin zum nächsten negativen Gedanken übergeht, spielt |171| sich der gleiche Prozess noch einmal ab, doch je länger dieses Rollenspiel dauert, desto mehr gewinnt Frau Hausmann an Kraft und Sicherheit, mit jedem Mal fällt es ihr leichter, ihre Gegenargumente mit fester Stimme vorzutragen. Schwierig wird es für sie erst wieder, als sie sich aus dem Mund ihrer Freundin ihre eigenen Selbstvorwürfe anhören muss. Doch nach mehreren Anläufen kann sie auch die widerlegen.
Um ganz sicherzugehen, präsentiert die Freundin sämtliche negativen Gedanken noch einmal in veränderter Reihenfolge. Frau Hausmann muss über manche Sätze sogar schon lachen, und manchmal reagiert sie auch spontan empört: »So ein Unsinn, wie kannst du nur so etwas Blödes sagen!« Beim dritten Durchlauf schließlich lässt sich Frau Hausmann durch nichts mehr verunsichern. Sie ist die Spannungsgefühle im Bauch losgeworden, sie fühlt sich gut und ist sich sicher, die schwierige Situation mit ihrer Tochter zu bewältigen. Die Chancen dafür sind jetzt auch deutlich besser, denn an jedem Konflikt, auch an einem zwischen Eltern und Kind, sind zwei Seiten beteiligt – und wenn eine Seite etwas an ihrem Verhalten ändert, hat das zwangsläufig auch Auswirkungen auf das Verhalten der anderen Seite.
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Wie Sie familiäre
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