Steh dir nicht im Weg
die Techniken des Ressourcentransports (siehe dazu Kapitel 11) nutzen. Gerade bei Partnerschaftsproblemen, die ja sehr emotional sind, ist das besonders hilfreich. Als der Klammernde könnten Sie sich zum Beispiel fragen: »Welche innere Gefühlslage und Stimmung bräuchte ich denn, um besser damit umgehen zu können, dass mir mein Partner gerade nicht so nahe ist?« Oder Sie fragen sich: »Welches Gefühl fehlt mir, um besser damit umgehen zu können?«
Wie im Kapitel über den Ressourcentransport beschrieben, nutzen Sie nun Ihre Vorstellungskraft, um die entsprechenden Gefühle – vielleicht Selbstsicherheit oder Souveränität oder Ähnliches – in Ihnen wachzurufen. Dann beginnen Sie, diese guten Gefühle in der Vorstellung in solche Situationen mitzunehmen, in denen Sie den Partner als zu distanziert erleben, und stellen sich die Veränderungen vor, die sich daraus ergeben. Vielleicht merken Sie dann sogar, was der Grund für die momentane Distanz ist. Das hat vielleicht |162| gar nichts mit Ihnen zu tun, sondern liegt daran, dass den anderen irgendetwas belastet.
Mit mehr Souveränität ist es leichter, zu anderen Bewertungen zu kommen. Die Bewertung »Er/sie liebt mich nicht«, die aus der Unsicherheit heraus entstanden ist, wird so abgelöst durch die viel weniger schmerzhafte Bewertung »Er/sie ist stark mit sich beschäftigt«. Vielleicht ist der Partner dankbar, wenn Sie ihm ein Gespräch anbieten, um ihn zu unterstützen. Das ist jedenfalls besser, als ihn just in diesem Moment mit Forderungen nach mehr Nähe zu bedrängen.
Wenn jeder Partner die Art des anderen, sich zu schützen, als besonderen Angriff gegen sich selbst interpretiert, kann das im Extremfall bis zu Gewalttätigkeiten führen. Formen körperlicher Gewalt sind sicherlich kein Fall für die Check-your–Mind-Methode. Aber in manchen Fällen kann gewalttätiges Verhalten verhindert werden, wenn die Partner lernen, ihre Denkstrategien als etwas zu erkennen, das mit ihrer eigenen Geschichte zu tun hat, sodass die Reaktionen des anderen nicht unbedingt das bedeuten müssen, was man glaubt, dass sie bedeuten. Diese Erkenntnis war sehr hilfreich für ein Paar, bei dem es mehrere Male fast zu einem Ausbruch körperlicher Gewalt gekommen wäre, weil ihre jeweiligen Denk- und Verhaltensmuster so unglücklich ineinander verhakt waren:
Beispiel: Immer wenn das Paar sich stritt und es sehr emotional wurde, hatte der Mann das Bedürfnis, die Wohnung erst einmal zu verlassen. Er wollte nur einen Spaziergang machen, um sich wieder zu beruhigen, weil er wusste, dass er zu aggressiven Ausbrüchen neigte. Das wollte er unbedingt verhindern, und er hatte gelernt, dass Abstand und körperliche Bewegung in solchen Momenten das Beste für ihn waren.
Seine Frau hingegen hatte erlebt, dass ihre vorherige Beziehung genau so zu Ende gegangen war: Sie hatte sich sehr heftig mit jenem Mann gestritten, er hatte wortlos die Wohnung verlassen und sich nie wieder mit ihr auseinander gesetzt. Diese Beziehung war – obwohl |163| definitiv zu Ende – für sie in gewisser Weise offen geblieben, weil sie nicht wirklich wusste, was den anderen Mann damals veranlasst hatte, sich ohne weitere Erklärung von ihr zu trennen. Diesen Zustand erlebte sie als besonders belastend. Sie hat daraus für sich gelernt, dass sie die Dinge ausdiskutieren muss. Deshalb hat sie den Versuch ihres Mannes, die Wohnung zu verlassen, als konkrete Bedrohung für sich erlebt, obwohl er damit ja nur die Situation entspannen wollte. Seine Worte: »Ich muss jetzt hier raus und den Kopf wieder frei kriegen!« interpretierte sie vielmehr so: »Ich muss raus aus dieser Beziehung.«
So etwas wollte sie jedoch nie wieder erleben, also stellte sie sich ihm in den Weg und verlangte von ihm, dazubleiben. Für ihren Mann hat diese Reaktion das Gefühl von bedrohlicher Enge erhöht, sodass er sie sehr unsanft von der Wohnungstür wegdrängte. Das wiederum war für sie eine weitere Bestätigung, dass er sie wirklich verlassen wollte – sonst würde er doch nicht so grob mit ihr umgehen! Das geschah einige Male, und die Beziehung drohte darüber wirklich in die Brüche zu gehen.
Die beiden haben sich gegenseitig auf tragische Weise falsch interpretiert. Er wertete das Verhalten seiner Frau als »Jetzt macht sie noch mehr Druck auf mich«, anstatt zu erkennen, dass sie aus reiner Verzweiflung und Angst um die Beziehung so handelte. Sie sah nicht, dass ihr Mann aus ziemlich den gleichen Beweggründen erst
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