Steh dir nicht im Weg
schaffen und keine Hilfe zu benötigen oder gar zu erbitten. Man beißt die Zähne zusammen und hält durch – so lange, bis der Körper, dessen Signale man unentwegt missachtet hat, nicht mehr mitmacht. Und selbst dann versuchen manche Menschen noch, sich und anderen zu beweisen, wie stark sie sind. So wollte einer unserer Klienten zwei Tage nach einem Herzinfarkt wieder arbeiten gehen, weil er meinte, es ginge ihm schließlich schon wieder ganz gut. Ein anderer hat sein Leben unnötig in Gefahr gebracht, weil er gar nicht auf die Idee kam, um Hilfe zu bitten:
Beispiel: Er war an seinem ersten Urlaubstag ins Meer hinausgeschwommen und schwamm, weil es so schön war, viel zu weit – wie er merkte, als er umdrehte. Er hatte sehr zu kämpfen, um das Land wieder zu erreichen. Tatsächlich schaffte er es nur mit knapper Not, er hatte seine letzten Kraftreserven aufgebraucht. Erst als er wieder am Ufer war, dämmerte ihm, dass er die ganze Zeit an kleinen Booten vorbeigeschwommen war – er hätte nur einen Ton sagen müssen, um von jemandem aufgenommen zu werden. Sich Hilfe von anderen zu holen war jedoch nicht Bestandteil seines Verhaltensrepertoires.
Diese Unfähigkeit, Hilfe von außen zu akzeptieren oder gar anzufordern, kann auch im Beruf negative Konsequenzen haben. Ein Servicetechniker verlor fast seinen Job, weil er immer wieder verbissen Probleme allein beheben wollte, die im Team in der halben Zeit hätten |221| gelöst werden können. Sein »Stolz« ließ einfach nicht zu, einen Kollegen um Rat zu fragen. Ein solcher Stolz äußert sich in automatisierten negativen Gedankenmustern wie folgenden:
Das kriege ich alleine hin, das wäre ja gelacht.
Ich mache mich doch nicht lächerlich und frage wegen einer solchen Lappalie nach.
Wenn ich das jetzt nicht allein schaffe, kann ich meinen Job ja gleich an den Nagel hängen.
Du musst das hinkriegen, sonst bist du ein kompletter Versager.
Auch der Schwimmer und der Mann mit dem Herzinfarkt hatten charakteristische Gedankenmuster:
Wegen dem bisschen Schwächegefühl mache ich doch jetzt nicht gleich schlapp.
Ein richtiger Mann muss auch etwas aushalten können.
Reiß dich zusammen, schlappmachen gilt nicht.
Du Weichei, stell dich nicht so an.
Die lachen mich doch glatt aus, wenn ich zugebe, dass ich keine Kraft mehr habe.
Nur ein Schwächling gibt auf.
Da man so stark ist und sehr viel aushalten kann (man hat schließlich ein langes Training darin), lässt man sich auch von anderen noch einiges aufbürden. Jemand mit diesem Antreiber scheint nach dem Motto zu leben »Solange ich nicht zusammenbreche, ist es noch nicht zu viel«. Man hat kein Augenmaß mehr für die Grenzen der eigenen Belastbarkeit. Weil sie keinerlei Anzeichen von Schwäche erkennen lassen, sind die Zusammenbrüche von Menschen mit dem »Sei stark«-Antreiber sowohl für die Betroffenen selbst als auch für ihre Mitmenschen besonders dramatisch, sie kommen scheinbar aus heiterem Himmel. Und für die Betroffenen ist es meist besonders schwer, sich damit abzufinden, dass sie plötzlich außer |222| Gefecht gesetzt sind. Sie fühlen sich dadurch wertlos, verachten sich selbst und hadern mit ihrem Schicksal.
Beeil dich
Dieser Antreiber bringt sehr viel Hektik ins Leben – aber genauso wenig, wie man durch den »Sei perfekt«-Antreiber bessere Ergebnisse erzielt, erreicht man durch »Beeil dich«, dass irgendetwas schneller geht. Wahrscheinlich hat jeder schon einmal die Bekanntschaft eines solchen Hektikers gemacht, der alle Welt um sich herum verrückt macht mit seinem »schnell, schnell« und dabei die Dinge meist noch verlangsamt. Denn das wussten schon die alten Chinesen: »In der Eile liegen Fehler.« Deshalb ihr Rat: »Wer es eilig hat, soll einen Umweg machen!« Davon will so ein Hektiker aber natürlich nichts wissen. Er wurde schon als Kind zu höherem Tempo angetrieben und steht immerzu unter dem Druck, ganz entsetzlich viel in ganz entsetzlich kurzer Zeit erledigen zu müssen.
Für diesen Druck sorgt er zum größten Teil selbst, denn er ist ein Meister darin, seine Zeit so zu (des-)organisieren, dass er erstens wirklich unter Termindruck ist, und zweitens mehrere Dinge gleichzeitig tun muss. Deshalb reagiert er gereizt auf jede Störung und ruht nicht eher, bis er seine gesamte Umgebung mit seiner Nervosität angesteckt hat. Ein Hektiker ist nicht zufrieden damit, selbst hektisch zu sein, nein, alle anderen müssen es auch sein!
Unsere so genannte »schnelllebige Zeit« kommt dem
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