Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)
gebackenen Teigtaschen, die Gemüsepasten, die frischen Salate, die gefüllten Weinblätter ... hmmmm. Meine Mama kochte zu Hause, wie sie es von ihrer Mutter gelernt hatte. Bis zu dem Einsatz im Restaurant musste ich nie selbst etwas zubereiten und konnte es daher auch kein bisschen. Meine Mutter musste mir erst alles beibringen. Sie schaute mir beim Kochen über die Schulter und sagte dann: »Hier muss noch Salz rein« und »Da fehlen noch frische Gewürze«. Es funktionierte einigermaßen gut und machte mir eigentlich auch Spaß, wenn nur der andere Stress nicht gewesen wäre. Wenn alle Stricke rissen, stand ich nicht nur in der Küche, sondern bediente auch noch die Gäste. Dann war ich wirklich bedient. Ein Jahr lang ging das so, bis wir das Restaurant wieder aufgaben.
Mein Vater konzentrierte sich in der Folge völlig darauf, mich zu managen. Beruflich waren meine Karriere und ich sein Lebensinhalt. Nebenher war er noch im Sicherheitsgewerbe aktiv, aber das Box-Management stand von da an im Vordergrund. Alle Sponsorenverträge liefen auf El-Halabi Boxing, also auf meinen Vater. Reich waren wir trotzdem nicht, denn man muss eines verstehen: Obwohl ich Profiboxerin war, verdiente ich kaum etwas. Außer meinem Hauptsponsor Dolobene zahlte kein Sponsor mir regelmäßig Geld. Alle anderen Sponsoren waren nur für die einzelnen Kämpfe und Veranstaltungen an Bord. Da wir alles selbst auf die Beine stellten, verdienten wir mit den Veranstaltungen nahezu nichts. Aber mein Vater war fleißig und arbeitete weiter als Sicherheitsmann. Er ist kein Mensch, der tatenlos auf dem Sofa sitzt. Er hat immer gearbeitet, nie Arbeitslosengeld oder Hartz IV bekommen. Er wollte uns als Familie etwas bieten, und das ist ihm wirklich gelungen, das kann ich nicht oft genug sagen.
Man denke nur an meinen 22. Geburtstag. Wieder so eine typische Papa-Aktion. Zu Hause taten alle so, als wäre es ein normaler Tag, und gratulierten mir nicht. Ich war darüber nicht nur sauer, ich war beleidigt. Schmollend saß ich im Auto, als wir zum Einkaufen fuhren. Plötzlich drückte mir mein Vater eine Einkaufstasche in die Hand, in der irgendetwas war, und sagte: »Such dir eine Zahl zwischen 1 und 50 aus.« Total genervt antwortete ich: »Sieben.« – »Dann mach mal die Tüte auf und nimm dir sieben Scheine.« Ich öffnete die Tüte – sie war voller 50-Euro-Scheine. 2500 Euro. Hätte ich 50 gesagt, hätte ich alles behalten dürfen.
Aber je mehr er gab, je mehr er auch als Manager für mich arbeitete und je größer meine Erfolge wurden, desto stärker wurde auch seine Kontrolle. Meine Schwester Katja hatte ihm früh Grenzen aufgezeigt und ihren eigenen Weg gesucht. Ihr konnte er nie vorschreiben, welche Kleidung sie zu tragen hatte. Mein Vater wollte immer, bevor wir gemeinsam als Familie ausgingen, kontrollieren, was wir Mädchen trugen. Wir sollten uns ihm zeigen, und er bestand darauf, unsere Outfits, unser Styling, ja sogar unsere Frisuren zu kontrollieren. Während ich mich fügte, weil ich keinen Streit wollte, stellte Katja einfach ihre Ohren auf Durchzug, ertrug sein Schimpfen und zog an, was ihr gefiel. Sie ließ sich von ihm in diesen kleinen Dingen nicht beeindrucken, ich aber wehrte mich nicht. Mich hatte er, auch mit seinen emotionalen Druckmitteln, voll in sein Kontrollsystem eingebaut. Es wurde jedes Jahr extremer, obwohl ich mich eigentlich als erwachsene Frau von ihm hätte lösen müssen. Er ließ mich nicht los, und ich bemerkte es zu spät, dass da etwas schieflief. Schließlich liebte ich meinen Papa.
Der Selfmade-Boxstall
Außer dem Kölner Boxstall, der mich als 16-Jährige schon angesprochen hatte, waren die Angebote von Profi-Boxställen gleich null. Ein solches Angebot hätte meiner Karriere als Profi ausgesprochen gutgetan. Ich wäre für die kommenden zehn Jahre sicher in der Branche gewesen, hätte mich auf das Training und die Kämpfe konzentrieren und alles andere von den Experten erledigen lassen können. Landauf, landab habe ich mich beworben und vorgeboxt. Ob bei Sauerland oder bei Felix-Sturm-Boxpromotion, überall.
Ein Boxstall ist eine Firma, für die Trainer und Boxer arbeiten, aber ohne dass dabei alle an denselben Arbeitsplatz kommen. Es trainieren also nicht automatisch alle Sportler eines Boxstalls im selben Gym oder in derselben Stadt, auch wenn die meisten Boxställe natürlich ihr eigenes Gym haben. Dort gibt es aber dann auch Nachwuchstraining oder sogar Amateursport. Der Stall stellt Trainer
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