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Stehaufmaennchen

Stehaufmaennchen

Titel: Stehaufmaennchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Maria Profitlich
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haben.
    Eine pneumatische Bodenramme hat kein Köpfchen. Offenbar aber Gefühl. Denn nach einer Weile scheint sich meine vollautomatische Ramme einsam zu fühlen und begibt sich auf die Suche nach einem menschlichen Wesen. Dabei geht sie sehr zielorientiert vor, denn sie scheint genau zu wissen, wo man auf einer Baustelle garantiert einen Menschen treffen kann. Auf dem Klohäuschen. Und dann auch noch meinen Ingenieur!

24. August 1977
    Darf wieder mit meiner Messlatte rumstehen.
31. August 1977
    Aus der Traum. Irgendwann ist auch das größte Grundstück millimetergenau ausgemessen. Jetzt rollen die Bagger an, und ich muss schuften. Unter meiner Hand entsteht die Nordumgehung Siegburgs. Mit Blasen an den Händen denke ich wehmütig an meine Messlatte zurück. Einen Trost habe ich. Später wird man über meine Arbeit im Radio berichten. In den täglichen Staumeldungen.

22. Ein Job für echte Männer
4. September 1977
    Habe seit heute einen Job bei einer kleinen Werft am Rhein. Hier werden Rheinschiffe gebaut. Schiffe zu bauen ist ein anderes Ding als Autobahnen. Schiffe werden nämlich geschweißt. Eine Arbeit für richtige Männer. Männer wie meinen Vorarbeiter.

    »Schon geschweißt?«
    »Nö.«
    »Mann, Mann, Mann, Mann, Mann! Alle beklopp hier!«
    Nette Begrüßung. Der Vorarbeiter schüttelt den Kopf und zeigt mir ein Schweißgerät. Dann folgt eine Einführung in die Technik des Schweißens.
    »Kathode, Erdung, Schweißgriff, Elektrode!«
    Zur praktischen Demonstration seines ausführlichen Vortrags zaubert er mit dem Schweißgerät innerhalb von ein paar Sekunden eine Schweißnaht auf eine Stahlplatte.
    »Kapiert?«
    »Logo.«
    Der Vorarbeiter steckt wortlos eine neue Elektrode in den Schweißgriff und gibt mir das Teil. Jetzt soll ich. Halte dieElektrode an die Stahlplatte. Es knallt, Rauch steigt auf und ich lasse erschrocken den Schweißgriff auf die Stahlplatte fallen. Als der Rauch sich legt, stelle ich fest, dass die Elektrode sich zu einem Häufchen glühenden Stahlbreis verwandelt hat. Meine erste Schweißarbeit. Viel Zeit, sie zu begutachten, habe ich nicht, denn der Vorarbeiter haut mir mit der flachen Hand auf den Schutzhelm. (Muss man hier tragen, falls einem mal ein Schiff auf den Kopf fällt.)
    »Beklopp?«
    Der Mann scheint kein Freund vieler Worte zu sein. Er steckt eine neue Elektrode in den Schweißgriff und zieht demonstrativ eine weitere Schweißnaht.
    »Kapiert?«
    Dann soll ich wieder. Nehme mir vor, den Schweißgriff unter keinen Umständen loszulassen. Es funktioniert. Ein Funke entsteht. Will an einer anderen Stelle ansetzen, aber die Elektrode pappt an der Stahlplatte fest. Das Brummen im Schweißgerät wird immer lauter. Dann macht es »klong« und es ist ruhig. Der Vorarbeiter haut mir wieder auf den Schutzhelm.
    »Mann, Mann, Mann! Beklopp?«
    Um mich besser mit ihm zu verständigen, bediene ich mich seines Vokabulars. Zeige auf die Elektrode, die an der Stahlplatte pappt.
    »Beklopp!«
    »Du bis beklopp!«
    »Beklopp, beklopp!«
    »Alle beklopp!«
    Die Unterhaltung läuft eine gewisse Zeit, ohne dass sich das Niveau unseres kleinen Disputs merklich ändert. Schließlich schaltet der Vorarbeiter die Sicherung des Gerätes wieder ein. Setze meine Schweißarbeit schwitzend fort. Diesmal klappt es besser. Mit der Zeit krieg ich den Bogen raus und kassiere keine weiteren Schläge auf meinen Schutzhelm. Am Abend habe ichzwei Stahlplatten untrennbar miteinander verschweißt. Aber noch etwas anderes ist verschweißt. Die Netzhaut in meinen Augen. Dass man zum Schweißen eine Schweißerbrille aufsetzt, hatte der freundliche Vorarbeiter nicht erwähnt. Trotzdem mache ich befriedigt Feierabend. Ich kann schweißen!
12. September 1977
    Mit der Zeit wird Schweißen zu meiner Lieblingsbeschäftigung. Um zu üben, hab ich mir von einem Kumpel ein kleines E-Schweißgerät geborgt. Zuhause schweiße ich alles fest, was nicht niet- und nagelfest ist. Der Duschkopf, der immer aus der Halterung rutscht – für immer mit der Duschstange verbunden. Quietschendes Bettgestell? Flott ein paar 30er Vierkantrohre eingeschweißt und Ruhe. Selbst ein Draht-Mobile findet mit Hilfe meines Schweißgerätes einen festen Platz an der Wohnzimmerlampe. Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum man heute noch etwas festschraubt, wenn man es auch schweißen kann. Entwickele eine regelrechte Virtuosität im Umgang mit dem Schweißgerät und fühle mich wie der Karajan unter den Schweißern.
15. September 1977
    Der

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