Steife Prise
und zwinkerte Mumm zu.
»Hauptwachtmeister Aufstrich, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich mit allem, was Sie für nötig halten, bewaffnen würden, und da Sie über keine tauglichen Handschellen verfügen – könnten Sie vielleicht irgendwo ein paar Stricke auftreiben?«
Volker Aufstrichs Gesicht spiegelte eine ganze Palette einander widersprechender Emotionen wider: Ich darf mit dem berühmten Kommandeur Mumm arbeiten – hurra! Aber es handelt sich um eine wichtige, sehr ernste Sache – oje. Aber jetzt kann ich endlich mal ein richtiger Polizist sein – hurra! Aber in meinem Bett wartet die kuschelige Wärmeflasche – oje. Andererseits, falls diese ganze Geschichte irgendwie schiefgeht, dann, tja … Schließlich gehört dem Herzog von Ankh fast das ganze Land hier, also muss er alles auf seine Kappe nehmen – hurra! Und wenn ich mich bewähre, kriege ich vielleicht einen Posten in der Stadt, damit mein altes Muttchen an einem Ort wohnen kann, wo sie nicht die ganze Nacht wachliegen und zuhören muss, wie die Mäuse die Kakerlaken bekriegen – hurra! 22
Mumm betrachtete das Gesicht des Jungen im Kerzenschein mit allergrößtem Vergnügen, schon allein deshalb, weil Volker beim Denken die Lippen bewegte. Also sagte er: »Ich könnte mir vorstellen, Hauptwachtmeister, dass Ihre Mitarbeit bei diesem Fall Ihrer zukünftigen Karriere höchst zuträglich sein dürfte.«
Nach dieser letzten Bemerkung errötete Frau Aufstrich, die ihrem Sohn über die Schulter spähte, vor Stolz und sagte: »Hast du Seine Gnaden gehört, Volker! Du kannst noch was aus dir machen, genau wie ich immer gesagt habe! Keine Widerrede, auf geht’s, mein Junge.«
Frau Aufstrich verlieh ihrem mütterlichen Rat noch mehr Gewicht, in dem sie so energisch auf und ab hüpfte, als wäre sie an einer Nähmaschine angeschirrt. Gott sei Dank gibt es alte Mütterchen, dachte Mumm, als Volker endlich mit einer Thermoskanne voll heißem Tee, einem Ersatzschlüpfer und einem halben Apfelkuchen in die Kutsche stieg.
Nachdem sich die Räder in Bewegung gesetzt hatten und Volker seinem alten Muttchen ausgiebig durchs Fenster zum Abschied gewunken hatte, zündete Mumm, vorsichtig das Schaukeln des Wagens ausbalancierend, die kleine Spirituslaterne an, die einzige Beleuchtung in der Kutsche. Dann ließ er sich wieder auf den Sitz fallen und sagte: »Ich wär dir sehr dankbar, mein Junge, wenn du dir ein wenig Zeit nehmen und alles in deinem Notizbuch festhalten würdest, was ich dir heute Abend gesagt habe. Das könnte später sehr hilfreich für uns beide sein.« Volker hätte beinahe salutiert, und Mumm fuhr fort: »Als wir neulich das tote Goblin-Mädchen gesehen haben … Hast du dir dazu auch Notizen gemacht, Volker?«
»Jawohl, Kommandeur!« Volker war wieder kurz vorm Salutieren. »Mein Großvater hat mir gesagt, ich soll immer alles in meinem Notizbuch aufschreiben!«
Als die Kutsche über einen Stein fuhr, hoben sie von ihren Sitzen ab, und Mumm sagte leise: »Hat er dir auch gesagt, dass du gelegentlich rein zufällig zwei Seiten überblättern sollst, damit sich hier und da eine leere Seite ergibt?«
»Äh, nein, hat er nicht. Soll ich das machen?«
Wieder schleuderte die Kutsche auf und nieder, während Mumm sagte: »Streng genommen, lautet die Antwort ›nein‹, besonders dann, wenn du nie mit mir arbeitest. Also schreib jetzt erstmal alles auf, so wie ich es haben wollte. Und da ich nicht mehr so jung bin wie du, versuche ich jetzt ein bisschen auszuruhen.«
»Jawohl, habe verstanden, Chef. Nur eins noch? Herr Steiner, der Gerichtsdiener, ist heute Nachmittag zu uns gekommen und hat ein wenig mit uns geplaudert, und er hat gesagt, wir sollen uns keine Gedanken wegen dem Goblin-Mädchen machen, weil Goblins von Amts wegen Ungeziefer sind. Er war sehr nett und hat meinem alten Muttchen Brandy mitgebracht, und er hat gesagt, Ihr seid ein ehrenwerter Gentleman, der gelegentlich ein paar fixe Ideen im Kopf hat, aber das kommt halt davon, wenn man was Besseres ist und so, Chef. Chef? Chef? Schlaft Ihr schon, Chef?«
Mumm drehte den Kopf und sagte mit honigsüßer Stimme: »Hast du das ebenfalls in deinem Notizbuch festgehalten, mein Junge?«
»Aber selbstverständlich!«
»Und trotzdem bist du zu mir in meine Kutsche gestiegen? Warum hast du das getan, Volker?«
Hinter ihnen knirschten und rasselten die Steine auf der Landstraße, und es dauerte eine ganze Weile, bis Volker Aufstrich alle seine Gedanken zu seiner
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