Steife Prise
brauchst du Hilfe von sterbender Frau? Was hast du mit Unggue zu schaffen, Herr Poh-lie-zischt? Unggue gehört uns. Uns! Nicht gut, wenn du hier bist, großer Herr Poh-lie-zischt!«
»Was ist Unggue, gute Frau?«, wollte Karotte wissen.
»Keine Religion, keine Klingelglöckchen, einfach nur Unggue, reiner Unggue! Einfach nur Unggue, was kommt, wenn gebraucht. Kleines Unggue! Wenn Götter die Hände waschen und sich wegdrehen, schon ist Unggue da und krempelt die Ärmel hoch! Unggue schlägt im Dunkeln zu. Wenn Unggue nicht selbst kommt, schickt er jemanden. Unggue ist überall!«
Karotte räusperte sich. » Trauer-um-das-Gefallene-Blatt, wir haben einen Mann, einen Polizisten, einen guten Mann, der gerade an Unggue stirbt. Wir verstehen das nicht. Bitte hilf uns zu verstehen. Er hält einen Unggue-Topf in der Hand.«
Der Schrei musste durch den gesamten Betrieb geschallt sein; jedenfalls ließ er die kleine Hütte erzittern. »Unggue-Dieb! Topfklauer! Darf nicht leben!«, übersetzte Willi mit allen Anzeichen von Verlegenheit. Die alte Goblin-Frau versuchte aufzustehen, sank aber wieder murmelnd in ihre Kissen zurück.
»Sie täuschen sich, alte Frau«, versuchte es Angua erneut. »Dieser Topf ist zufällig zu ihm gekommen. Er hat ihn gefunden, es ist der Topf, der Seele-der-Tränen genannt wird.«
Trauer-um-das-Gefallene-Blatt hatte die Welt mit Getöse erfüllt. Jetzt schien sie sie mit Schweigen entleeren zu wollen. Dann sagte sie bitter und in Anbetracht der Tatsache, dass sie laut ihrem Enkel kaum Ankh-Morporkisch sprach, auch zu jedermanns Erstaunen ziemlich gut verständlich: »In einer Goblin-Höhle gefunden, ja, ja! Am Ende einer Schaufel gefunden, ja, ja. Möge ihn das Unglück verfolgen!«
»Nein!« Plötzlich stand Karotte ganz dicht vor der Goblin-Frau. »Der Topf ist zufällig zu ihm gekommen, wie ein Fluch. Er hat ihn nicht einmal haben wollen, und er wusste auch nicht, worum es sich dabei handelte. Er hat ihn in einer Zigarre gefunden.«
In der darauf folgenden Pause musste die alte Frau einige komplizierte Gedanken gedacht haben, denn schließlich sagte sie: »Bist du bereit, mir meinen Preis zu zahlen, Herr Poh-lie-zischt?«
»Wir haben dir den Brandy bereits gegeben«, warf Angua ein.
»Allerdings, Wolfswelpe, aber der war nur für die Beratung. Jetzt geht es um den Preis für Diagnose und Heilung, und der kommt aus der Schnupftabakmühle: zwei Pfund süßer Himbeerschmalzler, ein Pfund Anglerfreund und ein Pfund von Dr. Varies’ streng medizinischer Mischung, genau das Richtige an einem Wintertag.« So etwas wie ein Lachen entwich dem Mund der alten Goblin-Frau. »Bin froh um die frische Luft«, schob sie hinterher. »Mein Junge hier kommt viel herum, und er sagt, ihr seid vertrauenswürdig, aber Goblins haben gelernt, sich nicht auf Wörter zu verlassen, deshalb werden wir unsere Abmachung auf die alte Weise besiegeln, wie wir sie alle seit Anbeginn der Zeit verstanden haben.«
Der bestürzte Willi wich zurück, als sich Karotte eine lange Hand mit noch längeren Fingernägeln entgegenstreckte. Karotte spuckte auf die eigene Handfläche und drückte sie ohne einen weiteren Gedanken gegen die von Trauer-um-das-Gefallene-Blatt. Die Alte gackerte schon wieder vor sich hin: »Das kann nicht gebrochen werden, nein, das kann nicht gebrochen werden. Niemals. « Sie zögerte einen Moment und sagte dann wie nebenbei: »Nach Gebrauch bitte Hände waschen.«
Man hörte ein Gluckern aus der Brandyflasche, und Willi Glitschs alte Oma redete weiter: »Ein Topf mit Tränen, sagst du?« Angua nickte. »Wenn ja, es kann nur eines bedeuten. Eine arme Goblin-Frau, eine fast verhungerte Frau, musste ihr Neugeborenes essen, weil sie es nicht füttern konnte. Ich höre, wie euch der Atem stockt. Weil so etwas passiert ist? Es ist die grässliche Wahrheit, o ja. Im schlechten Land gibt es oft grässliche Wahrheit, in schlechten Zeiten, wenn kein Essen da ist. Also hat sie unter Tränen einen kleinen Unggue-Topf gemacht, für die Seele ihres Babys, und sie hat Leben hineingeweint und es weggeschickt, damit es in besseren Zeiten wiederkommen kann.«
Karotte sagte leise: »Würden Sie uns noch etwas mehr darüber erzählen, Madame?«
Die alte Goblin-Frau schwieg einen Moment, dann sagte sie: »In einer Zigarre drin, umwickelt mit Tabak? Fragt den Mann, der den Tabak verkauft!«
Willi drehte die Brandyflasche seiner Oma auf den Kopf. Kein einziger Tropfen kam mehr heraus.
»Noch eine letzte Frage, Madame:
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