Steife Prise
eindeutig kein Polizist.«
»Nach Eurem Verständnis, Euer Gnaden?«, fragte der Kirchenmann.
»Jawohl, nach meinem Verständnis. Nach meiner Einschätzung. Meiner Verantwortung. Meiner Erfahrung. Und es ist mein Arsch, falls etwas schiefgeht.«
»Aber, Euer Gnaden, Ihr habt doch gerade selbst gesagt, dass Ihr Euch hier außerhalb Eures Zuständigkeitsbereichs befindet«, gab Frau Oberst vorsichtig zu bedenken.
Mumm spürte die Nervosität ihres Mannes, die garantiert nichts mit dem Essen zu tun hatte. Der Mann wünschte sich von ganzem Herzen, nicht hier zu sein. Es war schon seltsam, dass die Leute sich mit Polizisten immer über Verbrechen unterhalten wollten, ohne dabei zu merken, welche eigenartigen kleinen Signale ihre Ängste aussandten.
Mumm wandte sich an die Frau des Hauptmanns: »Wie ich ebenfalls sagte, meine Dame, dehnt sich der Zuständigkeitsbereich eines Polizisten beliebig aus, sobald er auf ein offenkundiges Verbrechen stößt. Aber würde es Ihnen etwas ausmachen, das Thema zu wechseln? Nichts für ungut, meine verehrten Damen und Herren, aber ich habe im Lauf der Jahre festgestellt, dass Banker und Militärs und Kaufleute bei solchen Anlässen wie dem heutigen ihre Mahlzeiten in aller Muße zu sich nehmen können, wohingegen der arme Polizist immer von seiner Polizeiarbeit erzählen muss, die obendrein meistens ziemlich langweilig ist.« Er lächelte, um niemanden zu vergrätzen, und fuhr fort: »Und besonders langweilig in dieser Gegend, könnte ich mir vorstellen. Nach allem, was ich gesehen habe, ist es hier so ruhig wie im … Grab.« Treffer! Der gute alte Oberst zuckte leicht zusammen, und der Priester starrte auf seinen Teller. Obwohl man Letzteres nicht allzu ernst nehmen durfte, dachte Mumm, weil man nur selten einen Kirchenmann traf, der nicht mit Messer und Gabel Funken schlagen konnte.
Sybils Gastgeberinnenstimme schrammte durch das Schweigen wie ein Eisbrecher. »Ich glaube, es ist Zeit für den Hauptgang«, sagte sie, »ein herrliches Lamm avec keinerlei Unterhaltung über die Arbeit der Polizei. Ganz im Ernst, meine lieben Gäste, wenn Sie Sam erst einmal in Fahrt gebracht haben, zitiert er sämtliche Gesetze und Verordnungen von Ankh-Morpork inklusive der Dienstanweisungen seiner Truppe so lange rauf und runter, bis Sie ihn mit Kissen bewerfen!«
Sehr gut, dachte Mumm, wenigstens kann ich jetzt in Ruhe essen. Er entspannte sich im gleichen Maße wie die Unterhaltung ringsum, die allmählich wieder zum alltäglichen Klatsch und Tratsch über andere Leute aus der Gegend überging, zu Schwierigkeiten mit dem Personal, den Ernteaussichten und, ja, auch dem Ärger mit den Goblins.
An der Stelle horchte Mumm auf. Goblins. Die Stadtwache hatte mindestens ein Mitglied jeder bekannten zweibeinigen, vernunftbegabten Spezies in ihren Reihen. Plus einen Nobby Nobbs. Das war bereits Tradition: Wenn man es als Polizist schaffte, schaffte man es auch als ganze Spezies. Aber noch nie hatte jemand vorgeschlagen, dass Mumm einen Goblin einstellen sollte – aus dem einfachen Grund, dass sie überall als stinkende, kannibalistische, bösartige und hinterlistige Saubande bekannt waren.
Natürlich wusste jeder, dass Zwerge ziemlich verlogene Zeitgenossen waren, die einen behumpsten, wo es nur ging, und Trolle nicht viel mehr als hirnlose Schläger; und die einzige in der Stadt wohnhafte Medusa würde einem nie geradeheraus ins Gesicht sehen, und einem Vampir durfte man nicht mal trauen, wenn er einen freundlich anlächelte, und Werwölfe waren unterm Strich nichts anderes als Vampire, die nicht fliegen konnten, und dein Nachbar nebenan war ein echtes Ekel, das ständig seinen Müll auf dein Grundstück warf, und seine Frau war auch nicht viel besser. Andererseits machte doch gerade die Vielfalt die Würze aus. Dabei hatte man natürlich keinerlei Vorurteile. Immerhin hatte schon ein Ork an der Universität gearbeitet, aber der spielte sogar Fußball. Und jemandem, der vom Mittelkreis aus ins Tor traf, konnte man so gut wie alles nachsehen, und schließlich musste man die Leute so nehmen, wie sie waren … Aber diese elenden Goblins? Nein, vielen Dank auch. Wenn die in die Stadt kamen, wurden sie von den richtigen Leuten gleich wieder hinausgejagt, und meistens endeten sie ein Stück flussabwärts, wo sie für Leute wie Paul König in der Knochenmühle, als Lohgerber oder in der Alteisenbranche arbeiteten. Ein schönes Stück außerhalb der Stadtmauern und somit auch des Gesetzes.
Und jetzt
Weitere Kostenlose Bücher