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Steife Prise

Steife Prise

Titel: Steife Prise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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weiß ich ja alles, aber du kennst auch meine Einstellung dazu: Wenn das Rad angehalten wird, sollte man wenigstens ein paar Gedanken an die armen Schlucker verschwenden, die gerade auf der Null sitzen.«
    Seine Frau nahm zärtlich seine Hand. »Aber wir haben doch das Krankenhaus gestiftet, Sam. Du weißt, was uns das kostet. Dr. Rasen bildet jeden aus, der eine Begabung für Medizin zeigt, selbst wenn ihm, wie er es ausdrückt, der Arsch hinten aus der Hose raushängt. Er lässt sogar Mädchen ausbilden! Zu Ärzten ! Er hat sogar Igorinas angestellt! Wir verändern die Welt, Sam, Stück für Stück, indem wir den Leuten dabei helfen, sich selbst zu helfen. Sieh dir nur mal die Wache an! Heute ist jedes Kind stolz, das sagen kann, sein Vater oder sogar seine Mutter sei bei der Wache. Die Leute brauchen Stolz.«
    Mumm drückte ihre Hand. »Danke, dass du so nett zu dem Jungen aus der Unbesonnenheitsstraße bist«, sagte er.
    Sie tat seine Bemerkung mit einem Lachen ab. »Ich habe lange gewartet, bis du aufgetaucht bist, Samuel Mumm, und ich habe nicht vor, dich wieder fallen zu lassen.«
    Sam Mumm schien der richtige Augenblick für sein Anliegen gekommen: »Macht es dir etwas aus, wenn ich mit Willikins vor dem Schlafengehen noch einen kleinen Spaziergang zum Totenhain mache?«
    Lady Sybil bedachte ihn mit dem Lächeln, das Frauen für ihre Ehemänner und ihre kleinen Söhne reserviert haben. »Na, da kann ich wohl kaum nein sagen, und irgendetwas liegt ja in der Luft. Ich bin froh, dass Willikins dabei ist. Es ist sehr hübsch dort oben. Vielleicht hört ihr sogar eine Nachtigall.«
    Mumm gab ihr einen kleinen Kuss, ehe er nach oben ging, um sich umzuziehen. »Eigentlich hoffe ich eher auf einen Kanarienvogel, meine Liebe«, sagte er.
    Wahrscheinlich hatten weder ein Herzog noch ein Kommandeur der Stadtwache je so etwas in ihrem Ankleidezimmer vorgefunden wie das, was jetzt auf Sam Mumms Bett lag. Den Ehrenplatz nahm eine Hippe ein, ein überaus nützliches landwirtschaftliches Arbeitsgerät. Er hatte schon im Laufe des Tages etliche davon gesehen und rief sich in Erinnerung, dass »landwirtschaftliches Arbeitsgerät« etwas anderes als »keine Waffe« bedeutete. Diese sensenartig geschwungenen Klingen waren durchaus auch bei Straßenbanden beliebt und fast so gefürchtet wie ein Troll mit Migräne.
    Daneben lag ein Schlagstock. Mumms eigener Polizeiknüppel, den sein Diener in kluger Voraussicht mitgenommen hatte. Er war mit silbernen Intarsien versehen, weil es der offizielle Schlagstock des Kommandeurs der Wache und eigentlich natürlich überhaupt keine Waffe war, Gott bewahre. Der Käsedraht daneben ließ sich hingegen nur schwer rechtfertigen, denn Mumm wusste eindeutig, dass er kein Käsehändler war. Also blieb der Draht hier, und die Hippe kam mit. Schließlich war es ja wohl eine Selbstverständlichkeit, dass man bei einem Spaziergang über sein eigenes Land die Gelegenheit wahrnahm, den einen oder anderen Zweig zurückzuschneiden. Was aber sollte er mit dem Haufen Bambus anfangen, der sich zu einem mehrfach gegliederten Brustharnisch auffächerte – und dem höchst unkleidsamen Bambushelm? Auf dem Bett lag ein kleiner Zettel. Darauf stand in Willikins’ Handschrift: Des Wildhüters Freund, Herr Kommandeur. Und auch der Eure!
    Mumm gab ein leises Grunzen von sich und schlug mit dem Knüppel auf den Harnisch. Er gab wie etwas Lebendiges nach, und der Knüppel flog quer durchs Zimmer.
    Tja, man lebt, um zu lernen, dachte Mumm, oder vielleicht noch wichtiger: Man lernt, um zu leben. Dann ging er leise nach unten und schlich sich in die Nacht hinaus … die wie ein schwarzweißes Schachbrett vor ihm lag. Er hatte vergessen, dass außerhalb der Stadt – wo der Rauch, die Dämpfe und die Dünste die Welt in tausend graue Schattierungen verwandelten – alles ganz einfach schwarz und weiß war. Und falls jemand das als Metapher sehen wollte – bitte sehr!
    Er kannte den Weg zum Hügel, man konnte ihn auch nicht verfehlen. Der Mond beleuchtete den Pfad, als wollte er Sam die Sache leichter machen. Hier draußen verlief sich die Landwirtschaft allmählich, Felder und Äcker gingen in Stechginster und in Gras über, das von den Kaninchen so kurz geknabbert wurde, dass es an das grüne Tuch eines Snooker-Tischs erinnerte. Wenn man dann noch bedachte, dass Kaninchen das Gras nicht nur fressen, hätte Mumm auf diesem Tuch mit sehr vielen sehr kleinen Kugeln spielen müssen. Während er langsam höher stieg, stoben

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