Steife Prise
hielten sich welche im Umkreis von Gut Käsedick auf, wie man am Verschwinden von Hühnern und Katzen und so weiter leicht feststellen konnte. Mumm erinnerte sich derweil daran, dass die Leute früher sogar behauptet hatten, Trolle würden Hühner stehlen. Dabei war so ein Huhn für einen Troll völlig uninteressant – als würden Menschen Wandputz essen. Aber davon schwieg er geflissentlich.
Nein, niemand wusste ein gutes Wort über die Goblins zu sagen – Fräulein Kefer indes fand überhaupt keine Worte mehr. Ihr Blick war auf Mumms Gesicht fixiert. Wenn man sich darauf verstand, konnte man so eine Tafel lesen wie ein Buch und sich als Polizist ein klares Bild davon machen, was jeder Anwesende von den anderen dachte. Die Blicke verrieten alles. Das, was gesagt, und das, was nicht gesagt wurde. Welche Leute Teil des erlauchten Kreises waren und welche nicht. Fräulein Kefer war eine Außenseiterin, toleriert zwar, aber nur, weil es so etwas wie gute Manieren gab. In den Kreis gebeten wurde sie nicht. Wie lautete der Spruch? Das ist keine von uns.
Mumm bemerkte, dass er Fräulein Kefer ebenso anstarrte wie sie ihn. Beide lächelten, und er dachte, dass ein wissbegieriger Mann dieser netten Dame, Autorin all der vielen Bücher, die seinem kleinen Sohn so gut gefielen, einen Besuch abstatten sollte. Und nicht allein aus dem Grund, weil sie so aussah wie jemand, der so viele Zeitgenossen zu verpfeifen hatte, dass es sich wie eine ganze Dudelsackkapelle anhören würde.
Fräulein Kefer runzelte oft die Stirn, wenn das Gespräch sich um Goblins drehte, und ab und zu warfen ihr bestimmte Leute – insbesondere die Leute, die er insgeheim Frau Oberst nannte – einen Blick zu, der sonst sehr ungezogenen Kindern vorbehalten war.
Mumm hielt seine Fassade der Aufmerksamkeit aufrecht, während er die Vorfälle des Tages noch einmal Revue passieren ließ. Bis er von Frau Oberst gestört wurde: »Im Übrigen, Euer Gnaden, haben wir mit großer Freude vernommen, dass Ihr Jefferson heute Nachmittag eine Tracht Prügel verabreicht habt. Dieser Mann ist unerträglich! Er bringt alle Leute gegen sich auf!«
»Mir ist aufgefallen, dass er keine Angst hat, seine Ansichten zu äußern«, erwiderte Mumm. »Aber wir nehmen ja alle kein Blatt vor den Mund, oder?«
»Aber ausgerechnet Ihr, Euer Gnaden«, sagte der Geistliche und blickte mit ernster Miene auf, »könnt doch nicht allen Ernstes glauben, dass der Jockel ebenso gut wie sein Meister ist?«
»Das kommt ganz auf den Jockel an. Und auf den Meister. Und darauf, was Sie unter gut verstehen«, entgegnete Mumm. »Ich bin vermutlich auch mal ein Jockel gewesen, aber was die Stadtwache von Ankh-Morpork angeht, so bin ich der Meister.«
Frau Oberst wollte gerade darauf antworten, als Lady Sybil fröhlich sagte: »Wo wir gerade davon reden, Sam, ich habe einen Brief von Frau Wagenknecht bekommen, die dich in den höchsten Tönen lobt. Erinnere mich daran, dass ich ihn dir zeige.«
Jedes Paar, das schon lange zusammen ist, hat seine geheimen Codes. Klassischerweise gibt es einen, den die Frau bei einer gediegenen Unterhaltung einsetzt, um ihren Mann zu warnen, dass er sich, aus Geistesabwesenheit oder weil er sich zu hastig angezogen hat, im Bereich südlich des Bauchnabels zu entblößen droht. 12
Im Falle von Mumm und Lady Sybil bedeutete die Erwähnung von Frau Wagenknecht in etwa: »Wenn du nicht sofort damit aufhörst, die Leute zu nerven, Sam Mumm, blüht dir später ein gerüttelt Maß an ehelichem Unfrieden.«
Diesmal jedoch wollte Sam Mumm das letzte Wort behalten: »Wenn ich es mir recht überlege, kenne ich ehrlich gesagt so einige Jockel, die es zu was gebracht haben, und eins kann ich Ihnen verraten: Sie geben oft bessere Meister ab, als es ihre ehemaligen Meister je gewesen sind. Letztendlich hat ihnen dazu nicht mehr als eine faire Chance gefehlt.«
»Erinnere mich bitte daran, dass ich dir den Brief zeige, Sam!«
Mumm gab nach, und die Ankunft der Nachspeise in Form von Eiskreme kühlte die Gemüter ein wenig, zumal Ihre Ladyschaft dafür sorgte, dass die Gläser der Gäste nie leer wurden – was im Falle des Herrn Oberst beinahe permanentes Nachfüllen bedeutete. Mumm hätte sich gerne noch länger mit ihm unterhalten, aber auch er musste die Anweisungen seiner Gattin befolgen. Der Alte hatte eindeutig etwas Wichtiges auf dem Herzen, wenn ihn die Anwesenheit eines Polizisten dermaßen nervös machte. Und diese Nervosität war offensichtlich ansteckend.
Das
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