Steilufer
rausschmeißen kann! So bereiten wir selbst den Boden für eine unaufhaltsame Überfremdung und das gefällt vielen Landsleuten nicht.«
»Und diesen Unmut schüren Sie ganz bewusst, sodass es dann zu solchen gewalttätigen Exzessen kommt!«
»Meine Herren! Das muss ich mir nicht länger anhören! Sie haben meine Zeit schon genug in Anspruch genommen.« Burmester stand auf. »Sollten Sie noch sachliche Fragen mit mir klären wollen, melden Sie sich nächste Woche wieder – ich werde dann sehen, ob ich einen Termin für Sie frei habe. Guten Abend!«
Er drehte sich abrupt um und verschwand schnellen Schrittes um die Ecke des Hauses in Richtung Hauseingang.
»Tja. Satz mit X, war wohl nix!«, Jansen tippte mit der flachen Hand auf den Tisch. »Dann können wir uns ja auch vom Acker machen.«
Angermüller ließ keine Anzeichen erkennen, sich erheben zu wollen. Er starrte nur missmutig auf den Rasen.
»Ey, Georg! Komm!«
Der Angesprochene ging auf die Aufforderung seines Kollegen überhaupt nicht ein.
»Mir will das einfach nicht in den Kopf! Da sind diese Neonazis, da ist dieser nationale Verein von dem Burmester, da sind die Schlüssel, da sind der tote und der misshandelte Ausländer und alles ist durch die blaue Strippe verbunden. Und dann soll es da keinen Zusammenhang geben!«
»Nun lass doch die Jammerei! Wir werden das alles noch mal in Ruhe nachprüfen – Montag, wenn wir wieder frisch sind! Komm jetzt!«
»Wenn wir nur endlich wüssten, wer der Mann vom Steil-
ufer ist.«
»Kollege! Du hast dich da ganz schön in was verrannt! Und wenn es nun doch nur ein blöder Zufall ist? Es kann sich doch wirklich jemand völlig anderes die Strippe aus dem Schuppen geholt haben!«
Angermüller strafte Jansen mit einem bösen Blick und wollte gerade zu einer passenden Antwort ansetzen, da kam Ille Burmester in ihrem Rollstuhl, von Oker geschoben, an den Tisch zurück.
»Na, konnten Sie Ihre Fragen klären?«
»Teils, teils«, meinte Angermüller ausweichend.
»Ging es wieder um seinen Naziverein?«
»Auch, ja.«
»Ich finde es beschämend, was Erich da treibt! Rechte Propaganda, die Unwissenheit und niederste Instinkte für sich instrumentalisiert, die aufhetzt gegen alles Fremde, Andersartige unter dem Deckmantel, den Benachteiligten unserer Gesellschaft helfen zu wollen. Es ist widerwärtig.«
Aufmerksam sah der Kommissar die Frau an. Zwischen ihr und ihrem Mann schienen in jeder Beziehung Welten zu liegen. Die sah seinen Blick und sagte seufzend: »Jetzt fragen Sie sich wahrscheinlich, wie jemand wie ich mit diesem Mann zusammen sein kann. Ich sage es Ihnen: um Schlimmeres zu verhindern!«
Angermüller verstand nicht.
»Dr. Erich Hempel war erst 25 und schon ein junger, aufstrebender Anwalt, wie man so sagt. Ich war 30 und verliebt wie ein Backfisch.«
Offensichtlich war es Ille Burmester wichtig, den Kommissaren ihr Verhalten verständlich zu machen und deshalb ihre ganz private Geschichte zu erzählen.
»Bis dahin hatte es für mich nur die Firma gegeben und einen Dauerverlobten, nett und aus bestem Hause, aber ziemlich langweilig. Dann kam der schöne Erich mit den glänzenden Zukunftsaussichten«, sie lächelte in sich hinein. »Mein Vater mochte ihn nie, für ihn war er von Anfang an ein Blender. Doch natürlich mischte er sich nicht in die Herzensangelegenheiten seiner geliebten einzigen Tochter. Hätte auch nichts genutzt. Ich war ein oberflächliches, verwöhntes Ding und außerdem, wie Oker sagen würde, total hormongesteuert!«
Frau Burmester lachte leise, Oker grinste und Angermüllers Verwunderung über das seltsame Gespann in diesem Hause wurde immer größer.
»Schauen Sie nicht so, Herr Kommissar! Ich bin zwar gerade 74 geworden, aber ich weiß noch sehr gut, was ich wem erzähle. Um zum unrühmlichen Schluss zu kommen: Mein Vater hatte recht, Erich war und ist ein Blender. Als Anwalt war er mäßig erfolgreich, in der Firma richtete er mehr Schaden an, als er Nutzen brachte, weshalb ich ihn auch dort bald nicht mehr haben wollte und sein Charme mir gegenüber verwandelte sich nach den ersten Jahren unserer Ehe in geschäftsmäßige Freundlichkeit. Dann wurde ich krank.«
»Pardon, wenn ich das so offen frage: Aber warum haben Sie sich nicht scheiden lassen?«
»Wegen meines Vermögens.«
Jetzt machte Angermüller ein ziemlich dämliches Gesicht. Auch Jansen, der sich ja eigentlich längst ins freitägliche Partyvergnügen stürzen wollte, lauschte erstaunt und
Weitere Kostenlose Bücher