Steilufer
nordafrikanischen Weizengrieß begleitet, war das einzige Gericht aus dem Maghreb, das er bisher gekostet hatte.
»Ah non! C’est Chorba M’katfa – c’est bien!«, Hadi machte große Augen und rieb sich genießerisch den Bauch. »Vous voulez goûter?«, fragte er Angermüller und hielt ihm seinen Löffel hin.
»Non, merci!«, wehrte Angermüller dankend ab, der gerne probiert hätte, wäre er nicht im Dienst und vor allem nicht in der Begleitung Jansens gewesen. Trotzdem nahm er sich noch die Zeit, zu fragen, was das denn für ein Gericht sei, und Djaffar erklärte auf Deutsch, dass es sich dabei um eine Art reichhaltige Gemüsesuppe mit Lammfleisch und Kichererbsen handelte, die unter anderem mit Chilis, Koriander und Zimt gewürzt wurde und in die zum Schluss feine Fadennudeln gestreut wurden. Serviert wurde die Suppe mit Zitronenscheiben. Angermüller dankte für die Auskunft und dachte wieder einmal, dass es noch einen unendlichen Kosmos von Speisen auf dieser Welt gab, die es wert waren, von ihm entdeckt zu werden.
Omar Chabi, der andere Bewohner der Remise, saß auf einem Stuhl am Tisch und las in einem Buch, als sie eintraten. Auch hier war alles sehr ordentlich, doch im Gegensatz zu Fouhads Reich ohne jegliche persönlichen Accessoires, nur ein Radio stand noch auf dem Tisch. Keine Bilder, keine Fotos – ein Bett, ein Schrank, Tisch und Stuhl und ein kleiner, aufgerollter Teppich in einer Ecke. In seiner Kargheit erinnerte das Zimmer an eine Mönchszelle. Bevor sie guten Tag sagen konnten, war Chabi aufgestanden, der wohl mitbekommen hatte, dass die Polizei im Hause war, und reichte ihnen unaufgefordert und ohne ein Wort seine Papiere.
Freundlich dankend nahm Angermüller sie entgegen und gab sie an Jansen weiter. Doch Chabi reagierte nicht auf sein Lächeln und sah mit mürrischem Blick direkt an den beiden Beamten vorbei. Auf die Frage »Sprechen Sie Deutsch?« antwortete er nur mit einem abfälligen Schulterzucken.
»Am besten, wir lassen Djaffar dolmetschen«, mischte sich Anna ein, die die Beamten zu ihm geführt hatte. „Omar spricht kaum Deutsch und ich als Frau bin sowieso nicht würdig, für ihn zu übersetzen.« Mit einem genervten Seitenblick auf ihn ging sie Djaffar holen.
Außer dass ziemlich deutlich wurde, dass Omar die Lebensweise seiner Mitbewohner nicht gut hieß, insbesondere die des lebenslustigen Fouhad Ferhati, blieb seine Befragung ohne weiterführende Erkenntnisse.
»Ich ruf den Kollegen Niemann an, der soll die Jungs alle mal überprüfen. Wer weiß, was die für Geschichten untereinander laufen haben, auch wenn die Chefin hier das anders sieht – man kann nie wissen«, sagte Jansen und fingerte sein Handy aus der Hosentasche, als sie wieder vor der Remise in der Sonne standen.
Die beiden Beamten wollten gerade den Hof überqueren, um sich von der Restaurantchefin, die sich in ihr Büro begeben hatte, zu verabschieden, als ein blauer Lieferwagen in gefährlich schnellem Tempo um die Ecke geschossen kam. Mit einem unangenehmen Quietschen und einem harten Ruck kam das Fahrzeug direkt neben Jansen zum Stehen, sodass nicht einmal mehr eine Handbreit zwischen ihn und den Wagen passte.
»Tickst du nich sauber, oder was?«, brüllte Jansen den Fahrer an und schlug mit der flachen Hand gegen die Windschutzscheibe. Der sprang sofort aus dem Wagen und brüllte zurück: »Nu hab dich ma nich so! Is doch nix passiert!«
Jansen zückte seinen Dienstausweis.
»Papiere!«
»Oh nee! Auch nochn Bulle, hab ich ein Glück heute«, stöhnte der Mann genervt, während er sich ins Führerhaus beugte, um nach den Unterlagen zu suchen.
Aus der Villa stürmte Anna Floric.
»Das ist gut, dass Sie sich diesen verrückten Rennfahrer mal vornehmen! Der rast immer so! Neulich hat er beinahe Hadi über den Haufen gefahren! Außerdem spielen hier auch Kinder und so rücksichtslos fährt man einfach nicht!«
»Mann! Is ja gut.« Der aggressive Unterton war nicht zu überhören, aber angesichts der ihm gegenüberstehenden Polizisten und Anna Floric blieb dem Lieferanten keine andere Wahl, als klein beizugeben. Er fuhr sich mit der Hand durch das dunkle, an den Spitzen blond gefärbte Haar.
»Ich muss jetzt meinen Kram abladen.«
Ungeduldig trat er von einem Fuß auf den anderen, was den Eindruck mühevoll zurückgehaltener Körperkraft noch verstärkte. Jansen musterte ihn mit abschätzigem Blick. Die Füße steckten in eng geschnürten Stiefeln und das stramm sitzende T-Shirt mit der
Weitere Kostenlose Bücher