Steilufer
unklar – wir ermitteln in alle Richtungen.«
Als Angermüller seinen Heimweg fortsetzte, fielen ihm die Jungs in der Remise der ›Villa Floric‹ ein und plötzlich hatte er den exotischen, anregenden Duft ihres Chorba M’katfa in der Nase. Er bekam großen Appetit auf ein würziges, scharfes Gericht, etwas, das schnell zuzubereiten war, vielleicht mit Huhn oder aber mit Hackfleisch. Kurz entschlossen bog er in die Hüxstraße ein und kaufte im Naturkostladen ein gutes Pfund Rinderhack, eine Tüte Bulgur, ein Bund Frühlingszwiebeln, großblättrige Petersilie und eine wunderbar duftende, frische Knoblauchknolle.
Außer den klagenden Schreien der Schwalben, die am immer noch wolkenlosen, blauen Himmel pfeilschnell hin und her jagten, war im kleinen Garten des Angermüllerschen Hauses nichts zu hören. Georg saß am gedeckten Tisch und wartete auf die Rückkehr von Astrid und den Zwillingen. Er hatte aus den mitgebrachten Zutaten eine orientalisch inspirierte Fleischpfanne komponiert, mit einem Hauch Zimt gewürzt und mit Pul Biber, einem türkischen Gewürz aus geschroteten Paprika- und Chilischoten, leicht geschärft und dazu das Bulgur mit Rosinen gekocht. Als er die Küche mit seinen Einkäufen betreten hatte, war ihm eingefallen, dass es im Kühlschrank noch reichlich Essensreste von Samstagabend gab – daran hatte er überhaupt nicht mehr gedacht. Nun gut, dann gab es eben auch noch eine große Auswahl an Vorspeisen und die Hackfleischpfanne als Hauptgang. Wo die drei nur blieben – er war wirklich sehr hungrig, denn er hatte nichts als ein ziemlich weiches, gummiartiges Wurstbrötchen am Mittag in der Kantine gegessen.
Endlich hörte er die Tür ins Schloss fallen und gleich darauf kamen Julia und Judith in den Garten getobt.
»Wir waren am Strand! Und wir haben gebadet! Das war toll, Papi!«
»Das war soo geil!«
»Das Wasser war gar nicht kalt!«
»Das war sogar pipiwarm!«
»Kommst du morgen auch mit?«
Die beiden Mädchen waren in ihrer Begeisterung kaum zu bremsen.
»Schaun mer mal, ob ich morgen mitkommen kann. Bestimmt habt ihr riesigen Hunger! Ich hab was Gutes gekocht für euch!«
»Uups!«, machte Julia und schaute ihre Schwester betreten an. Astrid tauchte in der Küchentür auf. Sie trug das türkisgrüne Sommerkleid, das ihr so gut zu stand zu den hellblonden, halblangen Haaren und ihre leichte Sonnenbräune dezent betonte.
»Wir haben leider schon gegessen. Hallo, Georg!«, begrüßte sie ihren Mann und trat zu ihm an den Tisch. »Wir haben Martin am Strand getroffen und sind zusammen Pizza essen gegangen. Du hättest anrufen sollen.«
»Ich wollte euch überraschen.«
Georg Angermüller war die Enttäuschung anzuhören.
»Ja, schade«, sagte Astrid nur knapp und sah auf den überreichlich gedeckten Tisch. »Wieso hast du eigentlich noch was Neues gekocht? Da waren doch noch massenhaft Reste vom Wochenende?«
»Ich hab mich halt inspirieren lassen.«
Astrid zuckte ungehalten mit den Schultern. Sie war klein und zierlich und wirkte sehr mädchenhaft. Ihre Willensstärke und Energie wurden deshalb leicht unterschätzt. Selbst Georg überraschte sie damit hin und wieder. Mit der Strenge einer Lehrerin tadelte sie:
»Manchmal bist du irgendwie so unvernünftig, Georg, so maßlos.« Sie sah ihn kopfschüttelnd an. »Da kommst du nach Wochen einmal früher nach Hause und hast nichts Besseres zu tun, als dich an den Herd zu stellen.«
»Ich dachte, wir machen uns einen gemütlichen Abend im Garten. Ich koch was Schönes, wir trinken einen guten Wein und reden mal wieder in aller Ruhe.«
»Warum musst du immer gleich so einen Aufwand treiben? Ein Stück Käse und ein Baguette tun es doch auch. Kein Wunder, wenn du immer mehr zulegst. Ich hab noch was zu tun, ich geh rein und ihr, Kinder, kümmert euch um die nassen Badeanzüge und so weiter!«
Angermüller blieb allein an seiner üppigen Tafel zurück. Auf Astrids heftige Reaktion war er überhaupt nicht vorbereitet und ihre Worte trafen ihn ganz tief drinnen. Seit wann störte sie sich daran, dass er Spaß am Kochen hatte? Er fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. Er trank noch den Rotwein in seinem Glas aus und begann dann, mechanisch den Tisch abzuräumen. Mit sorgfältiger Routine versorgte er alle Töpfe, Schüsselchen und Teller voller nicht angerührter Delikatessen und stapelte sie geschickt in den prall gefüllten Kühlschrank. Das nagende Hungergefühl hatte sich einfach in Luft aufgelöst.
5
Der Sommer war
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