Stein und Flöte
ist.«
»Es ist gut, daß du hier bist«, sagte er. »Aber dort oben im Schloß wate ich wie durch giftigen Schlamm. Jetzt bin ich dieser Hexe so nahe, daß ich schon einen Weg finden werde, wie man sie aus der Welt schaffen kann. Ich werde dir über Furro Nachricht geben, wenn ich Hilfe brauche.«
Die übrige Zeit sprachen wir nicht mehr viel; dann waren die Rösser beschlagen, und Barlo mußte mit den Knechten wieder hinauf zu den Stallungen gehen.
Von Furro kam keine Nachricht mehr. Er verschwand mit seiner Frau eine Woche später aus dem Dorf und nahm dabei einen großen Teil der Einrichtung seiner Werkstatt mit. Es hieß, er sei mit jenem Eseltreiber geflohen, der damals mit einer ganzen Horde von Trageseln in die Wälder ging. Gisa ließ oben im Schloß eine Hufschmiede einrichten, und so kommt es, daß ich Barlo die ganzen drei Jahre lang, die er im Schloß diente, nicht mehr gesehen habe.
Gegen Ende dieser Zeit aber habe ich dich gesehen, Lauscher, wie du mit Gisa über die Wiesen geritten bist. Einmal kamt ihr ganz nahe an mir vorbei, und ich hörte, wie Gisa zu dir sagte: »Du mußt lernen, lauter zu sprechen, sonst gehorcht dir keiner.« Ich mochte deine Stimme gern, mit der du ihr leise wie zuvor Antwort gabst, und ich bin froh, daß du auch heute noch immer nicht lauter sprichst.
Von einem Diener hörten wir, was dann mit Barlo geschah, und eine Zeitlang habe ich dich dafür ebenso gehaßt, wie Barlo die böse Herrin gehaßt hat. Doch dann dachte ich wieder daran, was ich selber über diesen Haß gesagt hatte, und ich begann dich zu bedauern; denn es war Gisa, die dich so weit gebracht hatte, wenn wohl auch nicht ganz ohne deinen Willen. Von Barlo fehlte jede Spur, aber ich gab die Hoffnung nicht auf, daß er noch am Leben sei. Man sagt ja, daß ein Messer stumpf und rostig wird, wenn der Besitzer stirbt, aber Barlos Messer blieb immer scharf und blank wie an dem Tag, da er es in meine Truhe legte. Und zu bedauern seid ihr wohl beide nicht mehr; denn ich habe lange nicht zwei so fröhliche Menschen gesehen wie euch.
Während Eldrade ihre Geschichte zu Ende erzählte, war Barlo mit Eldars Enkelsohn aus dem Stall zurückgekommen. Er setzte den Jungen ab und lachte, als er Eldrades letzte Worte hörte. Dann packte er sie, hob sie von der Bank, auf der sie gesessen hatte, und tanzte mit ihr durch die Stube, daß ihre Röcke flogen. »Laß mich, du stinkst nach Pferdemist!« schrie Eldrade und versuchte lachend, sich loszumachen, aber Barlo ließ sie nicht aus seinen Händen und wirbelte mit ihr im Kreise, bis ihm der Atem wegblieb. Schwankend standen beide eine Weile mitten in der Stube und hielten einander in den Armen. Dann ließ Barlo das Mädchen endlich frei und setzte sich auf die Wandbank. Jetzt holte er seine Flöte hervor und spielte wieder sein Narrenlied. Aber diesmal fügte er noch eine dritte Strophe an:
Jagt die Wölfe hinaus
aus Barlos Haus,
tanzt alle und lacht
bei Tag und Nacht,
fröhlich und laut,
denn Barlo holt sich jetzt seine Braut.
»Nach alledem ist es wohl nicht mehr nötig, daß du noch um ihre Hand anhältst«, sagte Eldar. »Wenn meine Tochter sich etwas in den Kopf gesetzt hat, kann man sie ohnehin nicht daran hindern, es auch zu tun. Ihr schnelles Mundwerk wird deine Stummheit doppelt aufwiegen.«
Da setzte Barlo seine Flöte noch einmal an den Mund, um allen zu zeigen, daß er durchaus zu reden verstand. Aber Eldrade nahm sie ihm aus der Hand und sagte: »Ich verstehe dich auch ohne deine Flöte, und ich werde dein Mund sein, solange ich lebe.«
In dieser Nacht waren keine Wölfe zu hören, weder nahe beim Haus noch oben im Wald. Lauscher lag noch lange wach und fragte sich, was Gisa unternehmen würde, wenn sie von Barlo und dem Einzug der Spielleute erfuhr. Und je länger er darüber nachdachte, desto unheimlicher wurde ihm die Stille.
Als Barlo am nächsten Morgen mit Eldar und Lauscher seine Morgenmilch trank, nahm er zwischendurch seine Flöte zur Hand und sagte: »Wir sollten in den Wald gehen und uns jeder eine junge Eibe schneiden. Es könnte sein, daß die Wölfe sich doch noch wehren, wenn sie im Rudel sind.«
»Da kannst du recht haben«, sagte Eldar. »Mir ist auch wohler, wenn ich einen Jagdbogen in der Hand habe und mich nicht nur auf unser Gelächter verlassen muß.«
Während sie über die Wiesen zum Waldrand hinaufstiegen, erzählte Lauscher seinem Gastgeber die Geschichte von Rübe, und Eldar lachte noch, als sie in den Schatten der Bäume
Weitere Kostenlose Bücher