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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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dies ein höchst unpassendes Wort. »Das will ich nicht hoffen. Es wird nicht deine Aufgabe sein, dich nützlich zu machen. Aber das wirst du schon selbst herausfinden. Nach dem Frühstück kannst du erst einmal deine Reittiere zum Eselwirt bringen.«
    Eine Stunde später ritt Lauscher zwischen den grünen Hügeln bachabwärts. Er hatte noch einmal seinen Esel gesattelt, denn es würde wohl das letzte Mal sein, daß er seinen grauen Freund unter sich spürte. Schneefuß führte er am Halfter neben sich. Jalf schnaubte und beschleunigte seine Gangart, als das Eselwirtshaus hinter dem letzten Wiesenhang auftauchte. Gleich darauf fiel er in Galopp und preschte durch die Einfahrt, als könne er es nicht erwarten, seinen Pflegevater zu begrüßen. Lauscher brachte ihn mit Mühe zum Halten und bemerkte, als er abstieg, daß im Hof zwei Pferde und drei Maultiere angebunden waren. Die Pferde waren nach Art der Beutereiter aufgezäumt, die Maultiere trugen Packsättel, und daneben an der Stallwand lagen Ballen und Säcke aufgestapelt. Während er sich noch wunderte, was zwei einzelne Beutereiter so weit entfernt von ihrer Horde zu suchen hatten, wurde die Tür geöffnet, und der Eselwirt trat in den Hof. Ehe er noch ein Wort sagen konnte, sprengte Jalf auf ihn zu, stieß ihn mit dem Kopf in die Seite, daß der kräftige Mann fast das Gleichgewicht verlor, und tänzelte um ihn herum wie ein Hund, der nach langer Zeit der Abwesenheit seinen Herrn begrüßt.
    »Dacht ich mir’s doch, daß du das bist«, sagte der Eselwirt, nachdem ihn Jalf mit seinem weichen Maul genug abgeküßt hatte. »Ich kenne nur einen Esel, der so in meinen Hof hereingaloppiert, daß die Steine spritzen! Man hat ja inzwischen so allerlei von deinen Heldentaten gehört, du Wolfsjäger!« Er kraulte Jalf am Hals und begrüßte dann auch Lauscher, der bisher unbeachtet daneben gestanden hatte und wieder einmal feststellen mußte, daß hier ein Esel mindestens ebensoviel galt wie ein Mensch.
    »Seid ihr Freunde geworden?« fragte der Eselwirt.
    Lauscher nickte. »Du hättest mir keinen besseren Gefährten aussuchen können«, sagte er. »Aber ich fürchte, daß ich ihm jetzt zu schwer geworden bin. Wir werden uns wohl trennen müssen.«
    »Gut, daß du das selber einsiehst«, sagte der Eselwirt. »Aber Jalf wird dein Freund bleiben, so lange er lebt. Zum Reiten hast du jetzt ja ein Pferd, wie ich sehe.«
    »Barlo hat es mir zum Abschied geschenkt«, sagte Lauscher. »Es heißt Schneefuß. Willst du es für mich in Pflege nehmen, während ich bei meinem Großvater das Flötenspielen lerne?«
    »Gern«, sagte der Eselwirt. »Es war an der Zeit, daß du zurückgekommen bist.«
    Lauscher hatte gemeint, daß er dem Wirt weiß der Himmel was für eine Neuigkeit erzählen würde, als er den Flötenunterricht erwähnte, aber der Wirt hatte offenbar nichts anderes erwartet. Er nahm die beiden Tiere beim Zügel und führte sie zum Stall. Lauscher begleitete ihn, und als sie an den fünf anderen Tieren vorübergingen, die im Hof angebunden waren, sagte er: »Was machen Beutereiter in deinem Gasthaus?«
    »Beutereiter?« fragte der Wirt erstaunt. »Ach so«, sagte er dann, »du meinst Arnis Leute, die hier abgestiegen sind.«
    »Gibt’s da einen Unterschied?« fragte Lauscher. »Seit wann sind Arnis Leute keine Beutereiter mehr?«
    »Das sollen sie dir selbst erklären«, sagte der Eselwirt. Er zäumte die beiden Tiere ab und schüttete ihnen Futter vor. »Ein Maß Hafer wird euch nicht schaden nach dem langen Weg«, sagte er. »Heute bleibst du über Nacht noch hier, Jalf. Morgen kannst du dann zu deinen Freunden auf die Hügel laufen.«
    Lauscher umarmte seinen Esel noch einmal und bekam dafür dessen weiches Maul im Gesicht zu spüren. Als er sich dann zum Gehen wandte, sagte der Eselwirt: »Komm mit in die Stube! Du wirst doch gegen einen Becher von meinem Haustrunk nichts einzuwenden haben?«
    Das hatte Lauscher durchaus nicht, und zudem war er gespannt darauf, was das für Gäste waren, die sich Arnis Leute nannten. Schon beim Eintreten sah er auf den ersten Blick, daß die beiden Männer, die dort bei einem Krug vergorener Eselsmilch saßen, Beutereiter waren: die flachnasigen, olivbraunen Gesichter mit dem schwarzen, strähnigen Haar waren nicht zu verkennen. Aber einen Unterschied gab es doch: Sie trugen ihr Haar nicht zu Zöpfen geflochten, sondern hatten es so kurz geschnitten, daß es eben noch die Ohren bedeckte, und ließen es ganz glatt

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