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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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sagte der Schmied. »Sie waren froh, jemanden zu finden, der sich aufs Beschlagen von Maultieren versteht. Schau, womit sie mich bezahlt haben!« Er kramte ein paar Münzen aus seinem Geldbeutel und legte sie auf den Tisch. Lauscher nahm eine davon in die Hand und betrachtete sie. Sie war aus Silber und zeigte auf der einen Seite den Kopf einer Frau, auf der Rückseite war ein galoppierender Reiter geprägt. »Weißt du, wen diese Bilder darstellen?« fragte Lauscher.
    »Günli hat’s mir erklärt«, sagte Furro. »Der Frauenkopf soll Urla darstellen, die bei Arnis Leuten seit jeher in hohem Ansehen steht, und der Reiter ist Arni selbst. Diese ehemaligen Beutereiter scheinen neuerdings mächtig viel von ihm zu halten.«
    »Ich weiß«, sagte Lauscher. »Sie haben mich eingeladen, sie zu besuchen, und nennen mich den Träger des Steins.« Er sagte dies nicht ohne Stolz. Rikka blickte ihn aufmerksam an, und er konnte den Ausdruck ihrer Augen nicht recht deuten. »Bist du zu ihnen unterwegs?« fragte sie.
    »Erst will ich nach Fraglund zu meinen Eltern«, sagte Lauscher. »Aber danach werde ich wohl zu Arnis Leuten reiten.«
    »Da wirst du bei ihnen wohl ein großer Mann werden«, sagte der Schmied.
    »Das mag schon sein«, sagte Lauscher, »und ich glaube, daß Arni dies im Sinne hatte, als er mir den Stein gab. Man sagt ja von ihm, daß er die Gabe der Voraussicht hatte.«
    »Wer sagt das?« fragte Rikka.
    »Günli zum Beispiel«, sagte Lauscher. »Arnis Worte gelten bei seinen Leuten wie ein Gesetz, und sie meinen auch, daß er gewußt habe, was sich nach seinem Tode ereignen wird.«
    »Und nun bauen sie sich aus Arnis Worten feste Häuser, in denen sie sich gemütlich einrichten«, sagte Rikka. »Wenn sie ihn so genau verstanden haben, hätten sie nicht nötig gehabt, damit bis zu seinem Tode zu warten.«
    »Sie haben wohl so lange gebraucht, um seine Worte zu begreifen«, sagte Lauscher. »Man versteht ja nicht immer gleich im Augenblick, was einem widerfährt.«
    »Ja«, sagte Rikka, »verstehen braucht seine Zeit. Daran solltest du immer denken, du Träger des Steins.«
    Als Lauscher sich am nächsten Morgen vor der Tür der Schmiede verabschiedete, nahm ihn Rikka in die Arme und küßte ihn, als sei dies die selbstverständlichste Sache der Welt, und auch Furro schien nichts dabei zu finden. »Da sieht man doch gleich, daß du zu Urlas Familie gehörst, seit du den Stein auf der Brust trägst«, sagte er und wünschte Lauscher eine gute Reise.
    Von dem Ritt am Fluß entlang ist diesmal nichts Besonderes zu berichten. Lauscher hatte es nicht eilig. Er ließ sein Pferd laufen, wie es Lust hatte, und suchte sich gegen Abend ein Nachtlager, zumeist in einem Heuschober, denn so weit oben am Fluß gab es nur wenige Dörfer. Die Schafweide auf dem Hang unter dem Wald lag zu dieser späten Jahreszeit schon verlassen, und Lauscher sah keinen Anlaß, die Erinnerung an die Zeit aufzufrischen, in der er als Hilfsschäfer bei Barlo in Diensten gewesen war. Auch das Dorf, in dem der Besitzer der Schafe seinen Hof hatte, durchritt er eilig, obwohl die Sonne schon tief stand. Schließlich war es dunkel, als er endlich wieder auf ein Bauernhaus traf, und er mußte, um ein Nachtlager zu bekommen, die Leute aus den Betten klopfen. So kam er schließlich nach Draglop und quartierte sich in der Silbernen Harfe ein.
    Der Wirt erkannte ihn sofort wieder, aber Lauscher beantwortete dessen Fragen nach Barlo und den Ereignissen, die zur Vertreibung Gisas geführt hatten, eher einsilbig. Der Herbstmarkt war schon vorüber, und so waren auch die Gaukler und Spielleute weitergezogen, die bei dieser Gelegenheit hier zu wohnen pflegten. Dafür machte sich in der Gaststube allerlei Gesindel breit, nicht eben die beste Gesellschaft. Die meisten dieser Leute sahen aus wie Landstreicher oder Trunkenbolde. Um seine Habseligkeiten nicht unbeaufsichtigt zu lassen, stellte Lauscher die Packtaschen unter den Tisch, an dem er Platz nahm, um vor dem Schlafengehen eine warme Suppe zu essen.
    Der Lärm in der Gaststube war ihm unangenehm. Schon immer hatten ihn laute Geräusche, insbesondere aber lautes Reden gestört, und diese zweifelhaften Gesellen hier, die in abgerissenen Kleidern an den Tischen lümmelten, schrien aufeinander ein, als seien sie allesamt schwerhörig. Zu verstehen war nichts in diesem Getöse von Stimmen. Lauscher sah ringsum schließlich nur noch Münder in stoppelbärtigen, rotgedunsenen Gesichtern, klaffend aufgerissen zu

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