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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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versehentlich zwischen die Zähne geraten war. Statt einer Antwort griff Lauscher in den Beutel an seinem Gürtel und holte eine Handvoll von den Silbermünzen heraus, die ihm Höni auf die Reise mitgegeben hatte. Dieser Anblick verwandelte den Ausdruck auf dem Gesicht des Wirts augenblicklich. Er hob die wulstigen Augenbrauen und zog hörbar den Atem ein. Offenbar hatte ihn dieser unerwartete Gang der Dinge ein wenig aus dem Konzept gebracht. »Du erlaubst?« sagte er, nahm, ohne auf eine Antwort zu warten, eine der Münzen von Lauschers Hand, betrachtete sie kopfschüttelnd, schob sie dann zwischen die Zähne und biß darauf. Dann schaute er sie noch einmal prüfend an und sagte: »Gutes Silber. Aber die Prägung kenne ich nicht. Wo hast du die Münzen her?«
    »Das würde ich dir gern in der Stube bei einem Becher Wein erzählen«, sagte Lauscher.
    »Dagegen ist jetzt nichts mehr einzuwenden«, sagte der Wirt schon viel freundlicher. »Komm herein! Eine Schlafkammer wird sich schon finden.«
    Als sie dann in der Stube beim Wein saßen, kam der Wirt auf die Silberstücke zurück und fragte: »Wer hat sie dir gegeben?«
    »Das waren merkwürdige Männer«, sagte Lauscher. »Zuerst hielt ich sie für Beutereiter, aber dann merkte ich, daß sie keine Zöpfe trugen. Sie nennen sich Arnis Leute und scheinen friedliche Händler zu sein, die gutes Geld bezahlen, wenn sie etwas mitnehmen wollen.«
    »Arnis Leute?« sagte der Wirt. »Dann scheint es ja zu stimmen, was die Leute erzählen.«
    »Was denn?« fragte Lauscher.
    »Daß ein Teil der Horde seßhaft geworden sein soll und so friedlich wie jener Arni mit dem Stein, den ich oft hier in Arziak gesehen habe, wenn er seine Töchter besuchte.«
    »Es scheint so«, sagte Lauscher. »Der Reiter auf der Münze stellt Arni dar, und die Frau auf der anderen Seite soll Urla sein, die Arni den Stein gab.«
    »Wenn das so ist«, sagte der Wirt, »dann sollte dieses Silber bei uns in Arziak seine Geltung haben; denn Urla stammte hier aus dem Tal, und Arnis eine Tochter ist die Frau unseres Erzmeisters.«
    »Das hat man mir schon erzählt«, sagte Lauscher. Als er dann später sein Zimmer im voraus bezahlt hatte, sah er, wie der Wirt von Tisch zu Tisch ging und den Leuten das Silbergeld der Leute Arnis zeigte.
    Während der nächsten zwei Tage trieb sich Lauscher in der Ortschaft herum, ließ in einer Schmiede die Festigkeit von Schneefuß’ Hufeisen überprüfen, sah sich an, was die Goldschmiede an Schmuck für den Jahrmarkt bereitlegten, hörte dabei aufmerksam zu, was die Leute untereinander redeten, und sagte selbst nicht viel. Am dritten Tage wurde dann der Jahrmarkt eröffnet. Schon am Abend zuvor war es in der Wirtsstube plötzlich eng geworden. Aller Daumlang traf ein neuer Gast ein, und Lauscher beobachtete amüsiert, wie der Wirt mit den Ankömmlingen, soweit er sie nicht schon von früheren Jahren kannte, das gleiche Verhör anstellte wie mit ihm.
    Nach der Morgenmahlzeit nahm Lauscher seine Flöte und ging hinaus auf den Markt. Es herrschte ein ähnliches Getriebe wie damals in Draglop, nur wurde hier das Warenangebot vorwiegend von den Eisen- und Goldschmieden bestimmt. Aber zwischen ihren Ständen mit Ackergerät und Waffen oder Gold- und Silberschmuck mit gefaßten edlen Steinen boten auch hier die Bauern Vieh zum Verkauf, und es gab reisende Händler mit Lederzeug, irdenem Geschirr und allerlei anderem Kram. Sogar ein Zahnbrecher pries seine Kunst lautstark und mit drastischen Gebärden an, und an einer Hausecke hockte ein alter Spielmann, der auf einer zerkratzten Fiedel vor sich hingeigte und mit einem Kopfnicken für die Münzen dankte, die von den Leuten in seinen Hut geworfen wurden.
    Wie er es als Zunftbrauch gelernt hatte, suchte sich Lauscher am anderen Ende des Marktes einen geeigneten Platz, damit er dem Alten, der zuerst dagewesen war, sein Publikum nicht abspenstig machte. Vor einer Hufschmiede fand er ein Holzgestell, an das die Leute ihre Pferde zu binden pflegten. Es bestand aus zwei senkrecht in die Erde gerammten Pfosten, die durch zwei Querholme miteinander verbunden waren. Lauscher setzte sich auf dieses Stangengerüst, von dem aus er knapp über die Köpfe der Marktbesucher hinwegblicken konnte, und fing an zu spielen.
    Wie an dem Abend bei den Eisenschmelzern, holte er auch hier seinen Vorrat an Liedern, Balladen und Tänzen hervor und verband die einzelnen Stücke – wie es Spielleute zuweilen zu tun pflegen – durch kurze Überleitungen,

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