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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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nicht länger auf Beute aus waren, sondern Handel treiben wollten, wenn man sie nur ließe; denn von irgendeinem Gewerbe mußten sie ja ihren Lebensunterhalt bestreiten. Was können wir uns Besseres wünschen als diese Leute Arnis zwischen uns und der Steppe? sagten sich die lauschenden Eisenschmelzer, völlig gefangen in diesen Bildern, die vor ihren Augen vorüberzogen wie ein Wachtraum, und sie begriffen, daß sie ihr eigenes Tal schützten, wenn sie Arnis Leute stärkten. Lauscher beobachtete ihre Gesichter, die entrückten Gesichter von Träumenden, auf denen leicht abzulesen war, welche Empfindungen das Spiel in diesen Männern auslöste. Und als er sicher war, alle auf seine Weise überzeugt zu haben, nahm er ohne Übergang die Melodie eines jener Bauerntänze auf, bei denen die Männer zuvor kaum hatten still sitzen können, und brach dann sein Spiel ab.
    Diesmal blieben die Beifallsrufe aus, aber es war nicht zu verkennen, daß dieses Schweigen nur einen höheren Grad von Bewunderung ausdrückte. Solch unerhörtes Flötenspiel hatte ihnen schlichtweg die Rede verschlagen. Erst nach einer längeren Weile sagte Schiefmaul: »Bei deinem Spiel geht einem so mancherlei durch den Kopf, Flöter, und man beginnt die Dinge auf eine neue Weise zu sehen. Wenn ich jetzt bedenke, was ich so nach und nach über diese Leute Arnis gehört habe, so scheint mir, daß man vielleicht doch erwägen sollte, sie zu Freunden zu gewinnen.«
    Lauscher hütete sich, dieses Thema noch einmal aufzugreifen, sondern sagte nur: »Es kann nie schaden, solchen Dingen auf den Grund zu gehen.« Bald darauf legten sich alle schlafen, nachdem Schiefmaul sich mehrfach dafür entschuldigt hatte, daß man ›einem solch weitgereisten Meister‹ kein bequemeres Nachtlager bieten könne als einen Strohsack und ein paar grobe Wolldecken.
    Am folgenden Tag ritt Lauscher mit einem deftigen Morgenbrei im Magen weiter talabwärts. Die dicht von hochstämmigen Fichten bestandenen Hänge rechts und links des Bachs traten zeitweise wieder eng zusammen, aber der Weg blieb breit und fest; denn auf ihm mußte ja das ausgeschmolzene Roheisen zu den Schmieden nach Arziak gekarrt werden.
    Während der Bach schließlich nach rechts in einer steilen Geröllrinne dem Haupttal zustürzte, hielt sich der Weg in halber Höhe des Hanges und senkte sich erst allmählich der Talsohle zu. Als er dann zwischen den letzten Bäumen auf einen flachen Wiesenhang hinausführte, sah man weiter unten im Tal schon die rauchenden Schmiedeessen von Arziak, und nach einer weiteren Stunde ritt Lauscher über die Dorfstraße und hielt Ausschau nach einem Wirtshaus, in dem er sich einquartieren konnte. Ein grüner Busch, der an einem langen Stecken aus einer Dachluke ragte, wies ihm den Weg, und im Näherkommen entdeckte Lauscher, daß sich zwischen den frisch gebrochenen Zweigen das hölzerne, gelb angestrichen Abbild eines Amboß verbarg. Offenbar hatte hier ein ehemaliger Schmied sein Gewerbe gewechselt; es konnte aber auch sein, daß hier im Tal, wo so viele Leute mit Eisen zu tun hatten, ein Amboß der erstbeste Gegenstand war, der einem einfiel, wenn man nach einem sinnträchtigen Bild suchte, das sich jedermann einprägte. Lauscher unterließ es, die Frage zu klären, auf welche Weise dieses Wirtshaus zum goldenen Amboß zu seinem Namen gekommen war, sondern bat den Wirt, der ihm unter der Tür entgegentrat, um eine Schlafkammer, in der er bis zum Jahrmarkt nächtigen könne. Der Wirt, ein schwergewichtiger, im Alter etwas fett gewordener Mann, dem man den ehemaligen Schmied durchaus zutrauen konnte, schaute ihn taxierend von Kopf bis Fuß an und fragte: »Was verkaufst du?« Es sah so aus, als würde dieser Herbergsvater seine Jahrmarktskunden nach ihrem jeweiligen Gewerbe einschätzen.
    »Ich bin ein Spielmann«, sagte Lauscher. Diese Antwort schien das Mißfallen des Wirts zu erregen. »Spielmann?« wiederholte er, und dies in einem Ton, als sei das eine höchst unanständige Beschäftigung, und mit der Frage: »Was spielst du denn?« schien er einer weiteren Steigerung seines Abscheus gewärtig zu sein.
    Lauscher ließ sich durch dieses unfreundliche Gehaben nicht aus der Ruhe bringen. »Ich spiele die Flöte«, sagte er lächelnd und spürte eine gewisse Neugier darauf, was dieser Fettkloß als nächstes fragen würde. Diese Frage folgte prompt und war wohl auch zu erwarten gewesen: »Hast du Geld?« Der Wirt spuckte diese Worte aus wie einen Knochensplitter, der ihm

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