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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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ungerührt.
    »Willst du mich in ein paar Tagen zum Meister in diesem Spiel machen?« fragte Lauscher. »Soviel ich weiß, war nur Arni seinem Bruder gewachsen.«
    »So ist es«, sagte Narzia. »Arni wird uns helfen; denn wir sind seine Leute. Ich denke, in einer Woche kannst du reiten.« Mehr wollte sie an diesem Abend nicht verraten und ließ ihn bald darauf allein. Verzaubert von ihrem federnden Gang, der geschmeidigen Rundung ihrer Hüften blickte er ihr nach, bis sie die Tür hinter sich geschlossen hatte.
    All diese letzten Tage und vor allem auf dem Ritt zurück übers Gebirge hatte er gemeint, auf sie zuzugehen, um sie in die Arme zu schließen, und nun hatte sich herausgestellt, daß sie ihm ferner gerückt war als je zuvor; denn er hatte wenig Hoffnung, daß dieses Abenteuer in Hunlis Zelt gut ausgehen würde. Eine Zeitlang blieb er noch sitzen, starrte vor sich hin und suchte nach einem Ausweg, aber es wollte ihm keiner einfallen, und es gab wohl auch keinen. Schließlich raffte er sich auf, nahm seine Packtasche und ging niedergeschlagen in seine Schlafkammer.
    Während er die Sachen, die er auf dem Ritt mit sich geführt hatte, in das Wandfach räumte, in dem er seine Habseligkeiten aufbewahrte, gerieten ihm die Krüglein aus dem Keller seines Großvaters in die Finger. Er nahm sie der Reihe nach in die Hand in der vagen Hoffnung, hier eine Lösung für seine Schwierigkeiten zu finden, aber die Sprüche auf den Zetteln deuteten nichts dergleichen an. ›Eine Stunde Kraft und drei Tage Schlaf‹ würden ihm auch nicht weiterhelfen. Lieber wollte er gleich schlafen, um nicht mehr daran denken zu müssen, was ihn draußen in der Steppe erwartete. ›Ein Tropfen – süßer Traum für eine Nacht‹ – das war’s, was er jetzt brauchte. Er öffnete das Krüglein und neigte es vorsichtig über seine hohle Hand, bis ein Tropfen der dunklen, sirupdicken Flüssigkeit sich löste und in seinen Handteller fiel. Dann verschloß er das Gefäß wieder und stellte es an seinen Platz, ehe er die bräunlich schimmernde Perle von seiner Haut leckte. Man konnte ja nicht wissen, wie rasch dieses geheimnisvolle Elixier wirkte. Es schmeckte süß und bitter zugleich, schien seine ganze Mundhöhle auszufüllen und wirkte sofort. Er konnte sich eben noch aufs Bett fallen lassen, und dann begann auch schon

Der süße Traum
    Er ging oder kroch vielmehr durch einen dichten Wald, drängte sich durchs Unterholz, riesige Farnwedel schlugen über seinem Kopf zusammen und streiften mit ihren rauhen Fiedern seine Wangen. Er wußte nicht, was er hier zu suchen hatte, aber er mußte immer weiter durch diesen Wald vorankommen, durch dessen verwobenes Geäst kaum ein Lichtstrahl drang, war wohl schon seit Stunden unterwegs oder gar seit Tagen, wie lange, daran konnte er sich nicht erinnern, und nichts hatte sich seither geändert. Doch nun mischte sich in den bitteren Geruch des Farns der süße Duft des Waldmeisters. Irgend etwas stand ihm bevor. Voraus wurde es heller, Licht schimmerte zwischen den kantigen Farnstengeln, und dann brach er aus dem Dickicht hinaus ins Freie, stand auf einem grünen, von winzigen Blütentrauben weiß gesprenkelten Teppich zierlich gequirlten Waldmeisterkrauts, dessen berauschender Duft ihm in die Nase stieg. Am liebsten hätte er sich mittenhinein gelegt und sich einhüllen lassen von diesem zauberischen Geruch, aber er spürte, daß er weitergehen mußte auf ein Ziel zu, von dem er nichts wußte.
    Nach wenigen Schritten stand er vor einer hohen Hecke, einem schier undurchdringlichen Gestrüpp von Liguster und Weißdorn, Hainbuchen und Schlehen, und wußte, daß er hier hindurchmußte, wenn er dorthin gelangen wollte, wohin sein Herz ihn trieb. Doch nicht der schmalste Durchlaß war zu entdecken, kein Schlupfloch, das sich irgendein Waldtier gebohrt hatte, keine Lücke, an der das verfilzte Buschwerk auch nur einen Durchblick auf die andere Seite erlaubte. Er stieß seine Arme zwischen das ineinandergeflochtene Gezweig, aber er zerkratzte sich nur die Hände an den Dornen, stand wie gefesselt und wußte nicht mehr weiter.
    Während er so dastand und seine Arme zu befreien versuchte, entdeckte er ein Rotkehlchen, das dicht vor seinem Gesicht in seinem Nest zwischen den Zweigen der Hecke saß. Es schien sich überhaupt nicht vor ihm zu fürchten und schaute ihn neugierig mit seinen glänzenden schwarzen Augen an.
    »Du kannst mir wohl nicht zeigen, wie ich durch diese Hecke komme?« fragte Lauscher.
    »Wenn

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