Stein und Flöte
haben. Akka sprach die ganze Zeit über nichts von Belang, so daß Lauscher sich fragte, ob sie sich auch unter den gegebenen Umständen an den Brauch hielt, den Gast nicht mit schwerwiegenden Gesprächen zu belasten, bevor er satt ist. Als sie das Essen bereit hatte, rief sie die beiden Knechte herein, die ihre Hände an der Hose abwischten und sich umständlich an den Tisch setzten. Sie gingen dann auch gleich wieder hinaus an ihre Arbeit, nachdem sie schweigend ihre Suppe gelöffelt hatten. Auch Lauscher stand vom Tisch auf und sagte: »Ich muß jetzt wohl reiten, wenn ich noch bei Tag mein Ziel erreichen will.«
»Du kannst es wohl kaum erwarten, zu diesen Leuten Arnis zu kommen«, sagte Akka. »Aus deinen Augen spricht nichts als Ungeduld, als hättest du ein Mädchen, das dort auf dich wartet.« Sie lächelte auf eine schwer deutbare Weise, und das machte ihn noch unsicherer, als er ihr gegenüber ohnehin schon war. Wußte sie mehr über ihn, als sie zu erkennen gab? Wenn dies der Fall sein sollte, dann schien sie sein hinterlistiges Spiel amüsiert zu haben. Aber vielleicht hatte sie auch nur so dahingeredet, um ihn ein bißchen in Verlegenheit zu bringen, und das war ihr offensichtlich auch gelungen. Er beschloß, auf ihre Anspielung nicht einzugehen, und dankte ihr noch einmal für ihre Gastfreundschaft, ehe er sich verabschiedete.
Sie ging noch mit ihm vor die Tür und zeigte ihm den Weg, auf dem er zu Arnis Hütte kommen würde. »Das letzte Stück ist ziemlich steil«, sagte sie. »Dort wirst du absteigen müssen.« Lauscher zeigte nicht, daß er dies schon wußte. »Mach dir keine Sorgen!« sagte er. »Ich bin schlechte Wege gewohnt.«
»Es gibt schlechte Wege, an die du dich nicht gewöhnen solltest«, sagte Akka, und die Art, wie sie ihn dabei ansah, trieb Lauscher das Blut ins Gesicht. Er stieg rasch auf sein Pferd, grüßte noch einmal mit erhobener Hand und trabte über den Wiesengrund nach Osten.
Gegen Abend hatte er den Steilhang hinter sich und sah die Häuser von Arnis Leuten vor sich liegen. Das letzte Stück des Weges hatte er an nichts anderes mehr denken können als an Narzias grüne Augen, in denen sich die Schätze spiegelten, die in seiner Packtasche ruhten. Sobald er ebenen Boden erreicht hatte, schwang er sich auf sein Pferd und preschte in vollem Galopp bis vor Arnis Hütte. Dort fielen ihm zum Glück die guten Sitten ein, die hier herrschten und die er nicht vernachlässigen durfte angesichts der Leute, die vor die Türen ihrer Häuser getreten waren, um zu sehen, wer mit solcher Hast über die Dorfstraße jagte. Lauscher sprang vom Pferd und begrüßte Arnis Hütte mit der üblichen tiefen Verbeugung, in der er eine Weile verharrte. Erst als er der Meinung war, daß nun eine angemessene Zeit verstrichen sei, richtete er sich wieder auf und führte sein Pferd zu Hönis Haus. Dort nahm er ihm die Packtasche ab und übergab es einem der Stallknechte, während er selbst mit seiner kostbaren Last ins Haus stürmte, um Arnis Stellvertreter seine Botschaft auszurichten oder Narzia ihr Geschenk zu überreichen, je nachdem, wer ihm zuerst über den Weg laufen würde.
Er traf sie beide zusammen in der Stube an, wo sie am Tisch saßen und offenbar wieder einmal eine ihrer Beratungen führten. Höni sprang mit einer in Anbetracht seiner Leibesfülle erstaunlichen Behendigkeit auf, als er erkannte, wer da zur Tür hereinstürzte. »Bist du den ganzen Weg von Arziak hergerannt?« sagte er. »Du siehst aus, als brächtest du gute Nachrichten.«
»Die bringe ich auch«, sagte Lauscher und berichtete, was Promezzo ihm aufgetragen hatte. Und als er zu Ende gesprochen hatte, packte er die Meisterwerke der Goldschmiede von Arziak aus und legte sie Stück für Stück auf den Tisch. Während Höni diese Schätze mit Wohlgefallen und nicht ohne eine Spur von Gier betrachtete, sah Lauscher nur Narzias Gesicht. Sie schien nicht sonderlich beeindruckt zu sein und streifte die goldenen Ketten, Ringe und Schnallen mit eher gleichmütigen Blicken, als sei dies nur billiger Tand und kaum des Ansehens wert. Warte nur, bis du die Falkenfibel siehst, dachte Lauscher. Dieses kostbare Stück hatte er zurückgehalten, um es ihr zu geben, wenn er allein mit ihr war.
Diese Gelegenheit sollte sich rascher ergeben, als er gehofft hatte. Höni riß sich vom Anblick der goldblitzenden Schätze los und sagte: »Ich muß die Ältesten für morgen früh zusammenrufen, denn wir sollten Promezzo nicht allzu lange auf
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