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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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Tiere.« Dann führte er uns in die Stube, unter deren niedriger Balkendecke der Rauch des Holzfeuers hing, das an der Seitenwand auf einer offenen Herdstelle brannte und den Raum mit seinen flackernden Flammen beleuchtete. Am anderen Ende der Stube standen dicht zusammengedrängt die übrigen Bewohner und blickten uns angstvoll entgegen. Es waren zwei ältere und drei jüngere Frauen, zwei junge Männer und ein paar Kinder. Kruschka rief ihnen in seiner Sprache ein paar Worte zu, worauf sich ihre Gesichter entspannten. Während wir jetzt neugierig gemustert wurden, trat Kruschka wieder zu uns und sagte zu Arni: »Herr, es ist bei uns Brauch, den Gastfreund mit seinem Namen anzureden, doch ich weiß nicht, wie ich euch nennen soll.«
    »Du fragst zu Recht«, sagte Arni, »ich hätte dir gleich sagen sollen, wer deine Gastfreundschaft begehrt. Diesen Fremden hier, der mein Freund ist, nennt man den Flöter, und ich heiße Arni.«
    »Dann bist du Arni mit dem Stein, der Sohn des Khans«, sagte Kruschka. »Du erweist mir eine große Ehre.« Das war das erste Mal, daß ich hörte, wie Arni dieser Name gegeben wurde. Die Geschichte vom Streit der Brüder und von Urlas weisem Rat war also schon bis zu den Karpfenköpfen am Braunen Fluß gedrungen.
    Kruschka führte uns zu einer niedrigen Bank an der gegenüberliegenden Schmalseite der Stube. Während wir auf diesem mit Binsengeflecht überzogenen, reich geschnitzten Holzgestell Platz nahmen, breitete eine der jüngeren Frauen eine bunt gewebte Decke vor uns aus und stellte Salz und dunkles Brot sowie ein paar hölzerne Teller und irdene Becher darauf. Eine der älteren, die wohl Kruschkas Frau war, machte sich inzwischen am Feuer zu schaffen. Sie legte trockenes Holz auf und holte von draußen einen riesigen Hecht, den sie mit Kräutern füllte und in den Kessel legte, der über der Feuerstelle hing. Bald war der Raum von dem Duft des Fisches erfüllt. Die anderen Mitglieder der Familie suchten sich jetzt rings um die Decke ihre Plätze, und Kruschka goß aus einem bauchigen Krug ein säuerlich riechendes, wasserklares Getränk in die Becher. Dann wurde auch schon der Fisch aufgetragen, und Kruschka legte uns eigenhändig die besten Stücke vor.
    Ich kann euch versichern: Noch nie in meinem Leben hatte ich einen so köstlich zubereiteten Fisch gegessen. Auch Arni ließ es sich schmecken und lobte die Köchin. Sonst wurde während der Mahlzeit kaum gesprochen.
    Als wir alle satt waren, wandte sich Kruschka an mich und sagte: »Auch von dir haben wir schon gehört, Flöter. Willst du uns die Freude machen, etwas auf deinem silbernen Rohr zu spielen?«
    »Dem Gastgeber soll man keine Bitte abschlagen«, sagte ich und holte meine Flöte aus der Tasche. Ich setzte sie an die Lippen und begann mit dem Ruf der Wasseramsel, den ich gehört hatte, als wir vorher am Fluß entlanggeritten waren. Während ich weiterspielte, sah ich, wie Arni seinen Stein in der Hand hielt und auf dessen matt schimmernde Rundung starrte. Im Schein des flackernden Herdfeuers glühten einzelne Farben auf, grün, blau, violett, verschmolzen miteinander, trennten sich wieder und bildeten einen flimmernden Ring, in dessen dunkle Mitte ich eintauchte wie in einen Teich. Im wogenden Grün schwamm ein riesiger blauer Karpfen auf mich zu und blickte mich mit seinen runden, wasserhellen Augen an. Auf seinem Rücken trug er einen silberglänzenden Panzer von breitflächigen Spiegelschuppen. Er öffnete sein bartbehängtes Maul und sang ein Lied, das sich nur schwer in Worten wiedergeben läßt. Ich hörte das Rauschen des Braunen Flusses, den Schrei der Wasservögel, das Sausen des Windes im Röhricht, das Aufplatschen springender Fische und das Zuschnappen des Hechtes; denn auch das gehört zu dieser Wasserwelt, die der königliche Karpfen in seinem Lied pries, und ich liebte dieses gewaltige Tier um seiner Schönheit und um seines Gesanges willen und spielte, was mir sein Lobgesang eingab. Ich spielte, bis der Karpfen sein rundes Maul schloß und mit einem kräftigen Schwanzschlag in der grünen Flut davontrieb, bis die Farben sich zusammenzogen und schließlich wieder eingeschlossen waren in den glatten, runden Stein, den Arni in der Hand hielt. Da setzte ich die Flöte ab und steckte sie wieder in die Tasche.
    Kruschka schwieg eine Zeitlang, und ich sah, daß auch er die Augen auf Arnis Stein gerichtet hatte. Schließlich blickte er auf, dankte mir und sagte: »Du weißt viel über die Leute am Fluß,

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