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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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genau und sagte dann: »Du kannst dein Hemd wieder anziehen, Bargasch. Laß dir von deiner Mutter Wundkraut auf den Schnitt legen und einen Verband machen. Ich will nun meinen Spruch sagen: Dieser Mann namens Barnulf soll dir so lange ohne Entgelt als Knecht dienen, bis der letzte Schorf von deiner Wunde abgefallen ist. Und dann soll er auch noch die Kosten abarbeiten, die dir durch Wohnung und Unterhalt für ihn und seine Familie entstehen. Danach steht es Barnulf frei, weiterzuziehen oder bei uns zu bleiben und gegen einen geziemenden Lohn als Fischer zu arbeiten. Reusen ausnehmen kann er ja schon. Nimmst du dieses Urteil an, Barnulf?«
    »Sehr viel lieber als das erste, das du heute morgen gefällt hast«, sagte Barnulf lächelnd. »Ich weiß auch jetzt schon, daß ich bei euch bleiben möchte, wenigstens so lange, wie Gisa Herrin auf Barleboog ist; denn ich habe dieses Umherziehen satt.«
    »Das freut mich«, sagte Rulosch. »Nun muß ich auch noch dich fragen, Bargasch, ob du mit dieser Entscheidung einverstanden bist, denn du wirst die drei in dein Haus aufnehmen müssen.«
    »Dagegen habe ich nichts einzuwenden«, sagte Bargasch. »In meinem Haus ist Platz genug, und meine alte Mutter wird froh sein, wenn ihr jemand zur Hand geht. Außerdem hätte ich nach allem, was ich jetzt gehört habe, diesen Barnulf lieber zum Freund als zum Gegner.«
    »Er konnte wohl doch stärker zupacken, als du vorhin zugeben wolltest?« sagte Rulosch. »Außerdem soll er ja ein Rezept für eine besonders würzige Aalsuppe haben.« In das Gelächter der anderen hinein rief er dann noch: »Die Verhandlung ist geschlossen!« und haute mit der Faust auf den Tisch, wobei schon nicht mehr ganz deutlich war, ob er eine Amtshandlung zu Ende führen oder seinem Vergnügen Ausdruck geben wollte.
    Die Männer standen auf und verließen nach und nach die Stube. Bargasch ging hinüber zu Barnulf und Eiren und forderte sie auf, ihm in sein Haus zu folgen. Zuletzt standen nur noch Rulosch und der Sanfte Flöter beieinander und schauten zu, wie die einstigen Gegner einträchtig miteinander zur Tür hinausgingen. »Du solltest Richter werden, Flöter«, sagte Rulosch. »Deine Fragen haben mir erst gezeigt, worauf es ankommt.«
    Der Flöter hob abwehrend die Hände und sagte: »Das ist kein Geschäft für mich. Meine Urteile würden nach Meinung der Leute wohl zu seltsam ausfallen. Laß mich jetzt noch vor dem Haus ein bißchen in der Sonne sitzen, bevor es Abend wird.«
    Nun verließ auch er die Gerichtsstube und setzte sich draußen auf die Hausbank neben der Tür. Die Kinder spielten noch immer auf der Dorfgasse, doch sobald sie den Flöter sahen, liefen sie herbei, blieben dann in einigem Abstand stehen und betrachteten neugierig den alten Mann, der es fertiggebracht hatte, das Urteil des Dorfrichters zu ändern. Es hatte sich wohl auch schon herumgesprochen, wie er das angefangen hatte; denn eines der Mädchen rief ihm zu: »Spiel uns etwas vor, Flöter!«
    Da zog der Sanfte Flöter sein silbernes Instrument aus der Tasche und fragte: »Was soll ich denn spielen?«
    »Kennst du das Lied von Schön Agla?« fragte das Mädchen.
    »Ich habe es einmal gehört, als ich vor vielen Jahren hier in der Gegend war«, sagte der Flöter. »Aber du mußt mir helfen; denn ich weiß nicht, ob ich es noch genau im Kopf habe. Willst du mitsingen?«
    »Das ist doch ganz leicht!« sagte das Mädchen, kam zu ihm herüber und setzte sich neben ihm auf die Bank.
    »Dann wollen wir es einmal versuchen«, sagte der Flöter. Er spielte ein paar Töne, setzte die Flöte wieder ab und fragte: »So fing es doch an?«
    »Natürlich«, sagte das Mädchen. »Das kann hier doch jedes Kind. Fangen wir jetzt richtig an?«
    Der Sanfte Flöter nickte, hob seine Flöte wieder zu den Lippen und begann zu spielen. Das Mädchen sang dazu mit einer hellen, ein wenig spröden Stimme das Lied:
    Ein Mädchen ging zum See
    jedes Jahr,
    ein Mädchen ging zum See
    mit Wangen weiß wie Schnee.
    Der Grüne kam vom Grund
    jedes Jahr,
    der Grüne kam vom Grund
    und küßt es auf den Mund.
    Das Mädchen weinte sehr
    jedes Jahr,
    das Mädchen weinte sehr
    und kam dann nimmermehr.
    Schön Agla ging zum See
    dieses Jahr,
    Schön Agla ging zum See
    in Kleidern weiß wie Schnee.
    Der Grüne kam vom Grund
    dieses Jahr,
    der Grüne kam vom Grund,
    sie küßt’ ihn auf den Mund.
    Schön Agla hat gelacht
    dieses Jahr,
    Schön Agla hat gelacht.
    Da sang er durch die Nacht.
    Während er dem Gesang des

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