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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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hast.‹
    ›Wie sollte ich bereuen, meinem Vater einen solchen Kummer erspart zu haben?‹ sagte Boleg, und dann ging er seinem Bruder nach.
    Oleg hatte inzwischen das Boot seines Bruders an seinem festgebunden, und als er Boleg kommen sah, sagte er: ›Wir wollen zusammen in meinem Boot fahren. Dann kann immer einer rudern und einer sich ausruhen, und wir kommen auf diese Weise schneller nach Hause.‹ Boleg fand diesen Vorschlag gut, und so fuhren sie flußabwärts, und das ging viel schneller als die Fahrt gegen die Strömung. Oleg ließ erst seinen Bruder rudern, und als er nach einiger Zeit merkte, daß Boleg müde wurde, sagte er: ›Ruh dich jetzt aus! Du hast schon die letzten drei Tage rudern müssen, während ich mich ausruhen konnte, ohne mich zu rühren.‹ Boleg war’s zufrieden, legte sich vorn ins Boot und schlief bald darauf ein.
    Oleg hütete sich, ihn zu wecken und hielt das Boot ohne viel Geräusch in der Strömung, bis er das Haus seines Vaters sehen konnte. Dann lenkte er das Boot zum Anlegesteg, nahm seinem Bruder den Mistelzweig aus der Hand, stieg vorsichtig aus, machte das leere Boot, das sie mitgeschleppt hatten, am Anlegeplatz fest und stieß das andere, in dem sein Bruder schlief, zurück in den Fluß.
    So kam es, daß er als erster bei seinem Vater eintraf und ihm den Mistelzweig brachte. Sobald sein Vater die Beere gegessen hatte, besserte sich zusehends sein Zustand, so daß er noch am gleichen Tage aufstehen und eine kräftige Mahlzeit zu sich nehmen konnte. ›Du hast mir das Leben gerettet‹, sagte er zu Oleg. ›Als ich noch krank im Bett lag und ihr beide unterwegs zur Insel der Elfenkönigin wart, habe ich beschlossen, dem mein Erbe zu verschreiben, der mir den Mistelzweig bringen wird. Das ist nun entschieden.‹
    Oleg konnte seine Freude kaum verbergen, daß sein Plan so gut geglückt war, und als ihn sein Vater fragte, ob er auf dem Fluß nicht seinem Bruder begegnet sei, sagte Oleg, er habe ihn nirgends gesehen. Man wisse ja, daß Boleg kein besonders guter Ruderer sei, möglicherweise habe er überhaupt die falsche Richtung eingeschlagen.
    ›Wir wollen hoffen, daß er heil nach Hause kommt‹, sagte der Vater und ging von da an täglich mehrmals zum Bootssteg, um nach Boleg Ausschau zu halten.
    Boleg trieb inzwischen schlafend in dem Boot flußabwärts. Nun gab es aber in dieser Richtung gefährliche Stromschnellen, und sobald das Boot in ihre Nähe kam, wurde seine Fahrt immer rascher. Doch Boleg schlief in seiner Erschöpfung so fest, daß er nicht einmal hörte, wie das Brausen des stürzenden Wassers im Näherkommen immer lauter wurde, und er wachte erst auf, als sein Boot zwischen den Felsen hin- und hergeworfen wurde und kenterte. Die reißende Strömung schleuderte ihn, ehe er noch recht wußte, wie ihm geschah, so hart gegen einen Steinbrocken, daß er das Bewußtsein verlor und hilflos weitergespült wurde, bis ihn der beruhigte Fluß auf einer flachen Insel an Land trug.
    Da lag er nun die ganze Nacht, überall am Körper zerschlagen, kam hie und da halbwegs zur Besinnung, aber war unfähig, auch nur ein Glied zu rühren. Während er gegen Morgen, als es schon hell wurde, wieder einmal zu sich kam, hörte er, wie neben ihm etwas platschend aus dem Wasser tappte, und als er die Augen öffnete, sah er zwei Biber, die neben ihm hockten und ihn betrachteten.
    ›Dieser Mann sieht übel aus‹, sagte der eine.
    ›Er muß wohl in die Stromschnellen geraten sein‹, sagte der andere.
    ›Dann ist er weiter oben am Fluß zu Hause‹, sagte der erste. ›Kennst du ihn? Du hast doch früher deinen Bau dort oben gehabt.‹
    Da schaute der andere noch einmal genau hin und sagte dann: ›Ist das nicht Boleg, der unseren Vetter auf der Elfeninsel unter dem umgestürzten Baum hervorgeholt hat?‹
    ›Davon weiß ich nichts‹, sagte der erste. ›Wann soll das gewesen sein?‹
    ›Erst gestern‹, sagte der andere. ›Hast du nicht gehört, daß die Uferschwalben darüber schwätzten?‹
    ›Die schwätzen doch immer‹, sagte der erste. ›Wer hört da schon hin?‹
    ›Ich zum Beispiel‹, sagte der andere. ›Und das war gut so. Bleib du hier bei Boleg, während ich mich auf den Weg zur Elfeninsel mache, um einen Mistelzweig für Boleg zu holen.‹
    Damit ließ er sich vorsichtig ins Wasser gleiten und schwamm flußaufwärts davon.
    Boleg lag nun weiter auf dem Ufer mit den Beinen im Wasser, die Sonne stieg höher und höher und brannte auf ihn herunter, doch der Biber,

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