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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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sprang auf Lauscher zu, doch Jalf bäumte sich auf, zerschmetterte dem Wolf mit seinen Vorderhufen den Schädel und stieß dabei seinen fürchterlichen Eselsschrei aus. Dieser Schrei war es, der den Ansturm des Rudels zum Stehen brachte. Wie unter einem Peitschenschlag hielten die Wölfe in ihrem Lauf inne, machten kehrt und rannten in wilder Flucht zurück zum Wald.
    Jetzt kam endlich auch der Schäfer herangekeucht und schickte ihnen noch ein paar Pfeile hinterher. Wenige Augenblicke später war der Spuk verschwunden.
    »Ohne deinen Esel wären wir zu spät gekommen, Lauscher«, sagte der Schäfer, als er wieder zu Atem gekommen war. »Und was für ein Rudel! So viele von diesen Bestien habe ich noch nie auf einmal gesehen. Ich kann von Glück reden, daß ich nicht allein war.«
    Sie wachten in dieser Nacht draußen bei der Herde, falls die Wölfe noch einmal zurückkehren sollten. Aber es blieb alles ruhig, und als die Morgendämmerung über den Hügelkamm stieg, schleiften sie die erlegten Tiere zusammen. Neun Wölfe zählte die Strecke. Und wie es nach und nach heller wurde, machten sie eine unheimliche Entdeckung: Jeder der Wölfe trug ein ledernes Halsband, auf dem ein Saphir funkelte. Entsetzt machte der Schäfer ein Zeichen gegen böse Geister und murmelte: »Gisas zottige Knechte!«
    Wie es sich mit diesen Wölfen auch verhalten mochte: Als die Sonne aufging, verwandelten sie sich keineswegs in Männer. Ob dies nun daran lag, daß sie tot waren, oder ob die Leute sich mit Gisas Wölfen etwas zusammenfabuliert hatten – daß sie diese Halsbänder trugen, zeigte schon deutlich genug, woher sie gekommen waren. Je länger Lauscher darüber nachdachte, desto deutlicher spürte er, wie Angst in ihm hochkroch. Hatte Gisa herausbekommen, wo er und Barlo sich aufhielten, und die Wölfe auf ihre Fährte gehetzt? Es schien ihm höchste Zeit zu sein, aus dieser Gegend zu verschwinden.
    Als der Schäfer einen der blauen Steine aus seiner Fassung brechen wollte, stieß Barlo ein warnendes Knurren aus, das fast schon wölfisch klang, und riß ihm die Hand weg. Lauscher verstand das nur allzu gut und sagte: »Ich würde diese Glitzerdinger um nichts in der Welt anfassen und kann dir nur raten, die Finger davon zu lassen.«
    Da hoben sie am Waldrand eine Grube aus, warfen die toten Wölfe samt ihren Halsbändern hinein und schütteten sie zu. Der Schäfer häufte noch ein paar schwere Steine darüber, als fürchte er, die unheimlichen Tiere könnten nachts aus ihrem Grab steigen.
    An diesem Tag ließen sie die Herde auf der anderen Seite des Tals unterhalb der Hütte weiden, und der Schäfer sagte: »Ich bleibe keinen Tag länger hier. Morgen treiben wir die Schafe in die Winterquartiere.«
    Eine Woche lang wanderten sie mit der Herde durch das Flußtal, bis sie in das Dorf kamen, in dem der Eigentümer wohnte. Der Bauer kam vors Haus, um seine Tiere zu zählen, und lobte den Schäfer, daß er nicht nur so viele Lämmer habe aufziehen können, sondern auch keines der Alttiere verloren habe.
    »Das ist nicht allein mein Verdienst«, sagte der Schäfer. »Ohne Lauschers und Barlos Hilfe hätten in der vergangenen Woche die Wölfe wohl die halbe Herde gerissen.« Aber von den Halsbändern sagte er nichts. Mag sein, daß er nicht ausgelacht werden wollte; es war aber auch möglich, daß er Angst davor hatte, laut von diesen unheimlichen Tieren zu reden.
    Der Bauer dankte Barlo und Lauscher und gab ihnen einen Aufschlag auf den vereinbarten Lohn. Auch lud er sie ein, den Winter über als Gäste auf seinem Hof zu bleiben. Wieder einmal gab Barlo nickend sein Einverständnis und ließ Lauscher für die Einladung danken.
    Ein paar Tage später wurde auf dem Hof ein Fest gefeiert; denn die Ernte war reich gewesen, und auch das Vieh war gut gediehen in diesem Jahr, von den Schafen, die Barlo und Lauscher gehütet hatten, gar nicht zu reden. Der Bauer hatte alle Nachbarn eingeladen, in der Küche wurde gebraten und gebacken, daß die Mägde vom Morgen bis zum Abend am Herd stehen mußten, und der Bauer stach ein Faß von seinem besten Apfelmost an.
    Erst wurde gegessen, bis allen der Schweiß auf der Stirn stand, dann wurde getrunken, um die innere Hitze wieder abzukühlen, und dann wurde getanzt, damit die Kühle nicht überhand nahm, bis der Schweiß wieder ausbrach und abgekühlt werden mußte. Lauscher gefiel das besser als das kärgliche Schäferleben auf den Hügeln. Er ließ es sich schmecken und schwenkte die Bauernmädchen

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