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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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Brust trug, sein Herz wärmte. Eine Zeitlang stand er noch am Fluß und starrte in das treibende Wasser. Dann rief er Jalf und ritt langsam über den Dammweg nach Hause.
    Wenige Wochen später war der Winter endgültig vorbei. Der Bauer lief über seine Felder, und manche begannen schon mit der Frühjahrsbestellung. Als der Bauer mittags von den Äckern zurückkam, stand Lauscher draußen vor dem Stall und putzte das Sattelzeug. Barlo saß daneben auf einem Stapel Holz, und was er auf seiner Flöte spielte, klang nach Überlandreiten. Der Bauer kam über den Hof herüber und blieb bei ihnen stehen. »Ihr macht euch wohl reisefertig?« sagte er. »Oder wollt ihr dieses Jahr wieder meine Schafe hüten?« Lauscher wußte nichts von den Plänen seines Herrn und zuckte mit den Schultern. »Da mußt du schon Barlo fragen«, sagte er.
    Barlo hatte dem Gespräch zugehört und gab auf seine Weise Antwort: Unvermittelt ging sein Flötenspiel in eine Melodie über, die jedermann kannte, da die gewerbsmäßigen Spielleute ihre Auftritte damit ankündigten.
    »Ich habe ja gleich gewußt, daß du ein Spielmann bist«, sagte der Bauer. »Ziehst du jetzt wieder mit Lauscher los?«
    Barlo nickte.
    »Da weiß ich gleich einen guten Anfang für dich«, sagte der Bauer. »In Draglop beginnt in vier Tagen der große Jahrmarkt. Wenn ihr morgen losreitet, kommt ihr gerade noch zurecht.«
    Lauscher hielt den Schritt vom Handlanger eines Schafhirten zum Diener eines fahrenden Spielmannes nicht eben für einen besonderen Aufstieg. Vermutlich mußte er sich einen Hut besorgen, mit dem er bei den Zuhörern Geld einsammeln konnte. Doch dieses Leben würde wenigstens etwas abwechslungsreicher sein als der Sommer auf der Schafweide.
    Am nächsten Morgen ritten sie auf dem Dammweg weiter flußabwärts. Die Packtaschen schlugen schwer gegen die Flanken der Tiere, denn die Bäuerin hatte sie für die Reise gut versorgt. Lauscher war es sogar gelungen, einen alten Hut aufzutreiben. Er hatte eine Hahnenfeder durch den Filz gesteckt und ihn verwegen auf seinen Kopf gestülpt.
    Im Vorbeireiten suchte Lauscher die Stelle, an der er bei seinem Ausritt im Winter abgestiegen und den Dammweg zu Fuß entlanggegangen war. Aber jetzt sah alles anders aus. Die Steine auf dem Weg waren tief in den feuchten Lehm hineingetreten, das Gebüsch am Ufer trieb die ersten Blätter, und das helle Grün der Auwiesen leuchtete in der Morgensonne, die schon hoch zwischen weißen, bauschigen Wolken am blauen Frühlingshimmel stand. Er versuchte wiederzufinden, was ihm hier begegnet war, sehnte sich nach dem Klang dieser Stimme, nach dem Blick dieser Augen, die er hier zu sehen gemeint hatte, und nach der Hand, die sein Gesicht gestreift hatte, wenn es nicht der Wind gewesen war, der auch jetzt sein Haar unter dem Hut hervorwehte. Doch es stellte sich nichts dergleichen ein, und bald merkte er, daß sie längst an dieser Stelle vorbeigeritten sein mußten, ohne daß er sie wiedererkannt hätte; denn inzwischen trabten sie schon unter den Pappeln dahin, die er damals am Horizont hatte aufragen sehen. Die grünen Hügel, auf denen sie Schafe gehütet hatten, blieben hinter ihnen zurück und sanken unter den Horizont, während sie in die Ebene hinausritten, immer weiter am Fluß entlang, dessen Ufergehölz in breiten Windungen das flache Land vor ihnen teilte.
    Am Vormittag des dritten Tages sahen sie Draglop am Fluß vor sich liegen, einen Marktflecken, dessen niedrige Häuser sich um ein paar größere Gebäude drängten. Der Ort lag auf einer Landzunge zwischen dem Fluß, an dem sie entlanggeritten waren und einem zweiten, der rechts von ihnen aus den fernen Bergen kam und unterhalb von Draglop in den anderen mündete. Längst waren die beiden Reiter nicht mehr allein auf dem Weg. Sie überholten Bauern, die Vieh vor sich hertrieben, Frauen mit Körben und Tragtüchern und Händler, die auf ihren Pferdekarren saßen. In den Gassen, durch die sie ritten, drängten sich die Leute, und auf dem Marktplatz schlugen Kaufleute und Handwerker ihre Buden auf.
    Barlo und Lauscher stellten ihre Reittiere in einem Gasthof unter, bekamen dort auch eine Schlafkammer, nachdem sie ihr beim Schafhüten verdientes Geld vorgezeigt hatten, und aßen einen Teller Suppe. Dann zwängten sie sich durch das Gedränge auf dem Markt, wo die Geschäfte inzwischen ihren Anfang genommen hatten. Töpfer riefen ihre Ware aus, Bauernweiber priesen ihr Geflügel an, Viehhändler feilschten lautstark um Kälber

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