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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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Töpfen umstoßen, die scheppernd auf dem Pflaster zerscherbten. Doch ehe ihn der jammernde Händler packen konnte, war der Graue schon wieder verschwunden.
    Nun bahnte sich der Marktvogt einen Weg durch die Kette der Tänzer und sprang zu Barlo hinauf auf den Sockel. »Du solltest hier nicht weiterspielen«, sagte er. »Überall, wo du auftauchst, gibt’s Durcheinander.«
    Barlo unterbrach sein Tanzlied und versuchte dem Vogt durch Gesten seine Unschuld zu beteuern, doch der sagte nur: »Schuld oder nicht schuld, du machst mir die Leute verrückt mit deiner Flöterei. Spiel, wo du willst, aber nicht hier auf dem Markt.«
    Obwohl die Leute murrten, steckte Barlo seine Flöte ein und sprang zu Lauscher hinunter auf das Pflaster. Den Rest des Nachmittags trieben sie sich auf dem Markt herum, gingen von Stand zu Stand und betrachteten die angebotenen Waren. Gegen Abend fragte Lauscher einen Händler nach der Silbernen Harfe und wurde zu einem windschiefen Gasthaus in einer schmalen Seitengasse gewiesen. Der Wirt, ein kleiner, behäbiger Mann mit lustigen Augen, stand in der Tür und sprach sie an, als sie hineingehen wollten. »Du bist wohl der Flöter«, sagte er zu Barlo, »der heute auf dem Markt die Leute nach seiner Pfeife hat tanzen lassen?« Als Barlo nickte, führte der Wirt die beiden in die Gaststube und sagte: »Rauli wartet schon auf euch.«
    Der alte Sänger saß mit zwei anderen Männern in der hinteren Ecke der Stube. Als er Barlo und Lauscher eintreten sah, stand er auf, winkte sie an seinen Tisch und machte sie mit den beiden anderen bekannt. »Das hier ist Gurlo, der Märchenerzähler«, sagte er und zeigte auf den älteren der beiden, einen langen, unglaublich dürren Mann, dessen hageres Gesicht von tausend Falten durchzogen war wie ein zerknittertes Pergament. Dann wies Rauli auf den anderen, einen jungen, pausbackigen Burschen mit roten Haaren und einem beachtlichen Höcker auf der linken Schulter, und sagte: »Diese Mißgeburt heißt Trill und ist bekannt als Spaßmacher. Bei manchen allerdings eher gefürchtet wegen seiner scharfen Zunge.«
    Der Bucklige schien diese Anrede nicht weiter übel zu nehmen. »Nachdem sich die Natur mit mir diesen Witz erlaubt hat«, sagte er, »versuche ich sie mit meinen Witzen noch zu übertreffen.«
    »Ein Spaßmacher von Natur aus, wie ihr seht«, sagte Rauli. »Noch eine Frage, ehe ihr euch setzt: Habt ihr schon ein Quartier?«
    »Ja«, sagte Lauscher. »Im Roten Ochsen am Marktplatz.«
    Rauli lachte. »Da hat sich der Wirt wohl erst euer Geld zeigen lassen?« sagte er. »Das ist nichts für euch, dort steigen sonst nur reiche Händler ab. Spielleute pflegen hier in der Silbernen Harfe zu übernachten. Am besten holt ihr gleich euer Zeug.«
    Barlo zeigte sich einverstanden, und so lief Lauscher noch einmal zurück zum Roten Ochsen und holte Reittiere und Gepäck. Nachdem Pferd und Esel im Stall der Silbernen Harfe untergebracht waren und der Wirt ihm eine zweischläfrige Kammer zugewiesen hatte, kam Lauscher wieder zu den anderen in die Gaststube und traf sie schon mitten in einem Gespräch über den Tumult, den Barlo auf dem Markt ausgelöst hatte.
    »So geht das nicht«, sagte Rauli gerade, als Lauscher sich setzte und sich auf Barlos Wink einen Becher Rotwein aus dem Krug einschenkte, der auf dem Tisch stand. »Dieser Bärtige«, fuhr Rauli fort, »wird dir immer wieder in die Quere kommen, wenn du die Sache so direkt anpackst. Und dann gibt es Ärger mit dem Marktvogt. Wenn es stimmt, was man so hört, dann hat diese Herrin von Barleboog einen ganzen Haufen solcher zottigen Kerle, und denen bist du nicht gewachsen, Barlo, wenn du’s mit Gewalt versuchst. Wir müssen uns etwas anderes überlegen.«
    »Macht sie doch lächerlich, diese Gisa«, sagte der Bucklige und sang:
    In Barleboog wohnt eine Frau,
    die war so stolz wie ein Pfau.
    Sie kauft sich fürs Bett
    einen Bursch, jung und nett,
    doch der schlug die Stirne ihr blau.
    »Wenn du ihr damit kommst, wird sie dir ihre zottigen Knechte auf den Hals hetzen«, sagte Lauscher.
    Gurlo hatte die ganze Zeit über schweigend dagesessen und zugehört. Jetzt schüttelte er den Kopf und sagte: »So unrecht hat Trill gar nicht. Mir fällt da eine alte Geschichte ein, die ich euch erzählen will. Sie heißt

Das Märchen vom fröhlichen König
    Es war einmal ein fröhlicher König. Er wohnte mit seiner Königin und seiner schönen Tochter in einem herrlichen Schloß, das mitten in einem großen Garten stand. Da gab

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