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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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vertraut. Wer das Spiel vorschlägt, muß es nämlich nicht selbst spielen, sondern kann einen Vertreter benennen, der an seiner Stelle antritt. Und dieser Vertreter werde ich sein.«
    »Da steckt doch schon wieder eine Heimtücke dahinter!« sagte Rulosch. »Einmal habe ich dich nicht mehr als Geisel in meiner Gewalt, wenn du deinem Bruder am Spielbrett gegenübersitzt, und außerdem kannst du ihn nach Belieben gewinnen lassen.«
    Jetzt wurde Arni zum erstenmal unwillig. »Habt ihr denn gar keinen Sinn für Spielregeln?« fragte er. »Wie könnt ihr auf solche Weise überhaupt ein geordnetes Leben in eurem Dorf führen? Wenn ein Spiel einmal vereinbart ist, hat jede Feindseligkeit zwischen den gegnerischen Parteien zu ruhen, und keiner darf außerhalb des Spiels etwas zum Nachteil des anderen unternehmen. Außerdem gilt es als eines der schändlichsten Vergehen, bei einem Spiel nicht sein ganzes Können einzusetzen. Die Beutereiter mögen in euren Augen wenig vertrauenswürdig sein, aber ihr könnt sicher sein, daß sie sich an ihre eigenen Gesetze halten.«
    »Wer sagt mir, daß du nicht lügst?« fragte Rulosch.
    »Keiner«, sagte Arni. »Du mußt mir glauben.«
    »Das sehe ich«, sagte Rulosch. »Aber dann sage mir auch, warum ich einem Beutereiter glauben soll, dessen Horde eben mein Dorf überfallen hat.«
    »Du bist wirklich ein mißtrauischer Mensch«, sagte Arm, »aber das ist wohl dein gutes Recht, wenn du für deine Leute sprichst. Ich werde dir ein Pfand geben, von dem ich mich sonst unter keinen Umständen trennen würde.« Er griff zu einem Lederbeutel, der an seinem Gürtel hing, und nahm einen Stein heraus. Als er ihn zwischen den Fingern hielt, schimmerte in der Mitte des Steins ein farbiger Ring wie in einem Auge. »Ich gebe ihn dir jetzt zum Pfand, daß ich ehrlich für euch spielen werde.«
    Rulosch nahm den Stein und betrachtete ihn. Später hat er erzählt, daß diese wenigen Augenblicke alles Mißtrauen aus seinen Gedanken davongeschwemmt hätten. Er habe in den Stein geblickt wie in ein Auge, und dann habe er plötzlich gemeint, in das Gesicht einer alten Frau zu schauen, deren Augen dem Stein geglichen hätten, und diese Frau habe ihn, ohne ein Wort zu sprechen, dazu gebracht, Arni zu vertrauen. Jedenfalls blickte er damals nach einiger Zeit wieder auf und sagte zu Arni: »Jetzt weiß ich, daß du es ehrlich meinst. Ich lege das Leben meines Dorfes in deine Hand.« Den Stein knüpfte er in sein Halstuch und steckte ihn in die Tasche.
    Von diesem Zeitpunkt an beriet sich Rulosch mit Arni, als sei dieser einer von unseren Leuten. Auf seinen Rat hin ruderte Rulosch mit zweien seiner Männer und Arni, der zu ihm in den Kahn gestiegen war, auf das Dorf zu, bis er gerade noch außer Pfeilschußweite war. Dort drehte er bei, stand auf und rief nach Hunli. Nach einiger Zeit kam der Khan zwischen den Häusern hervor und fragte Rulosch, was er von ihm wolle.
    »Khan Hunli«, rief Rulosch, »weißt du, daß ich deinen Bruder Arni als Geisel genommen habe?«
    »Wenn du so etwas behauptest, mußt du mir deine Geisel schon zeigen«, rief Hunli zurück.
    Da stand Arni im Kahn auf und zeigte sich seinem Bruder.
    »Was ist dir eingefallen, Arni«, schrie Hunli wütend, »dich in die Gewalt dieser Fischfresser zu begeben?«
    »Du kennst meine Meinung«, rief Arni. »Aber du solltest dich jetzt mit Rulosch besprechen, wenn du die Schande nicht auf dich nehmen willst, deinen Bruder diesen Fischfressern, wie du sie nennst, überlassen zu haben.«
    »Ich sehe schon, daß du mich in eine schlechte Lage gebracht hast, Arni«, rief Hunli. »Sage mir also, Rulosch, wie ich meinen Bruder auslösen kann.«
    »Ich könnte ihn dir gegen unsere Frauen und Kinder bieten«, rief Rulosch.
    »Willst du das nicht?« rief Hunli. »Ich würde sie dir geben.«
    »Das glaube ich dir gern«, rief Rulosch. »Aber gilt dir dein Bruder so wenig, daß du ihn gegen ein paar Weiber und Kinder der Fischfresser eintauschen willst? Für deinen Bruder scheint mir ein höherer Preis angemessen.«
    »Du bist ziemlich unverschämt«, brüllte Hunli. »Sag endlich, was du haben willst, Rulosch!«
    »Ich schlage dir ein Spiel vor«, rief Rulosch.
    »Was für ein Spiel?« fragte Hunli.
    »Schach«, rief Rulosch.
    Da fing Hunli lauthals an zu lachen. »Du machst mir Spaß, Fischer«, rief er dann. »Willst du mich im Schach schlagen?«
    »Das wird sich zeigen«, rief Rulosch.
    »Was soll der Einsatz sein?« fragte Hunli, und man merkte ihm an, daß

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