Stein und Flöte
Spielbrett. Dann hob er den Kopf und sagte: »Warum spielst du für diese Fischfresser, Arni? Sag nicht noch einmal, daß wir schon immer gegeneinander gespielt haben; denn das ist nicht der Grund.«
»Doch«, sagte Arni. »Das ist der Grund. Wir haben schon immer gegeneinander gespielt, aber nicht nur auf dem Schachbrett.«
»Ja«, sagte Hunli, »du kommst mir nicht zum erstenmal in die Quere. Hast du denn auch hier einen Gastfreund wie damals bei den Schlammbeißern?«
»Vielleicht werde ich einen finden«, sagte Arni, drehte sich um und sagte zu Rulosch: »Willst du mich heute abend als Gast in dein Haus aufnehmen?«
Rulosch blickte ihn überrascht an und sagte: »Falls ich dann noch ein Haus habe, sollst du der erste Gast sein, den ich darin begrüße, Arni.«
Arni nickte ihm zu und sagte: »Ich danke dir, Rulosch.« Dann wendete er sich wieder seinem Bruder zu und sagte: »Du bist am Zug, Hunli.«
Hunli rückte eine Figur beiseite, die eine Königskrone trug, und Arni nahm ihm mit dem nächsten Zug eine mit einem Stirnreif geschmückte Figur weg. »Meine Dame hast du geschlagen«, sagte Hunli wütend, »aber gewonnen hast du damit noch lange nicht. Auf Weiber ist ohnehin kein Verlaß.«
»Auch darin bin ich anderer Meinung, Hunli«, sagte Arni. »Aber du kannst mir ja zeigen, wie du ohne deine Dame zurechtkommst.«
»Das werde ich auch«, sagte Hunli, und damit begann er mit einer wahren Schlacht. Der Zorn ließ eine Ader auf seiner Stirn anschwellen, und er spielte wie einer, der in blinder Wut um sich schlägt. Zug um Zug fiel eine der jadegrünen Figuren seinen Angriffen zum Opfer, aber Arni blieb ihm nichts schuldig in diesem Zweikampf; denn auch die weißen Figuren wurden Stück für Stück aus dem Feld genommen. Schließlich standen nur noch sechs oder sieben Figuren auf dem Brett, und Hunli, der wieder am Zug war, rückte seinen verbliebenen Elefanten zur Seite und sagte: »Schach! Nun schau zu, wie du deinen König rettest, Arni!«
Ich erschrak über diese Worte und sah uns schon alle als Sklaven des Khans, aber Arni lächelte und sagte: »Du bist unbesonnen, Hunli. Hast du meine Dame vergessen? Sie weiß ihren König zu schützen. Du solltest diesen Zug zurücknehmen.«
»Immer ist es eine Frau, die ihre Hand über dich hält, Arni«, sagte Hunli bitter. »Und das nicht nur auf dem Spielbrett. Schämst du dich nicht, unter dem Schutz einer Frau zu stehen?«
»Nein«, sagte Arni. »Hast du dich geschämt, als Urla dir die Khanswürde zuteilte?«
»Diese Würde stand mir zu, auch ohne ihren Spruch«, sagte Hunli. »Aber Urlas Hinterlist habe ich erst begriffen, als dich dieser Stein dazu gebracht hat, dich immer wieder gegen mich zu stellen. Und nicht nur gegen mich, sondern auch gegen die Horde. Das war ihre späte Rache für den Tod ihres Mannes. Hast du das noch nicht gemerkt?«
»Ich sehe nur, daß du Urlas Gedanken nie begreifen wirst«, sagte Arni. »Der Stein hat nichts an meiner Zugehörigkeit zur Horde geändert. Würde ich sonst mit ihr reiten? Aber seit ich den Stein bei mir trage, frage ich mich, ob man nicht auch anders leben kann als durch Raub und Totschlag. Und seither habe ich Freundschaft bei Leuten gefunden, die du nicht mehr achtest als einen Hasen, den du in der Steppe mit einem Pfeil erlegst, um ihn an deinem Feuer zu braten.«
»Du redest schon selbst wie ein altes Weib«, sagte Hunli, »und dazu hat dich diese listige Zauberin gemacht.«
»Hast du vergessen, daß sie unserem Vater in seiner Kindheit das Leben gerettet hat, obwohl die Horde eben ihren Mann erschlagen hatte?« sagte Arni.
Da schrie Hunli: »Hätte sie ihn doch erfrieren lassen! Dann wäre eben ein anderer Khan geworden. Am Leben der Beutereiter hätte das nichts geändert. Aber ihre Tat hatte schon das Herz unseres Vaters so weich gemacht, daß er sich bei ihr Rat holte. Und nun hat sie dich erwählt, damit du unser Leben zerstörst.«
»Du redest im Zorn«, sagte Arni, »denn du weißt, daß ich dies nicht will. Ich liebe die Horde genauso wie du.«
»Dann sage mir, wie wir leben sollen, wenn du uns daran hinderst, Beute zu machen!« sagte Hunli.
»Ich weiß es noch nicht«, sagte Arni, »denn das Geheimnis meines Steins läßt sich nicht in so kurzer Zeit ergründen. Vielleicht wird nicht einmal mein Leben dazu ausreichen. Aber ich werde nicht aufhören, danach zu suchen. Willst du jetzt deinen Zug zurücknehmen?«
»Nein!« schrie Hunli. »Soll auch ich mich in die Sklaverei der verfluchten
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