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Steinbock-Spiele

Steinbock-Spiele

Titel: Steinbock-Spiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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oder sie wachsen auf und gestalten sich bewußt zum Gegenstück ihrer Eltern, und irgendwann sterben die Eltern weg, und die Kinder haben Kinder, und das Ganze fängt wieder von vorne an. Immer im Kreis herum, Generation um Generation. Noel Breckenridge III, Noel Breckenridge IV, Noel Breckenridge XVI –«
    Arios – Scarp – Militor – Horn –
    Die Stadt – das Tor –
    »– Geld verdienen, Geld ausgeben, gut leben, nichts Echtes bauen, nur eine Weile auf dem Planeten etwas Raum einnehmen, und wozu? Wozu? Was hat das alles für einen Sinn?«
    Die Granitsäulen – das Nordlicht – RAUM UND ZEIT –
    »Du bist heute mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden, Noel«, sagte Munsey.
    »Ich weiß. Tut es dir nicht leid, daß du gefragt hast, was mich bedrückt?«
    »Nicht besonders. Jeder macht solche Phasen durch.«
    »Wenn er siebzehn ist, ja.«
    »Und später auch noch.«
    »Das ist mehr als eine Phase«, sagte Breckenridge. »Es ist eine Krankheit. Wenn ich Mumm hätte, Harry, würde ich aussteigen. Einfach aussteigen und versuchen, ungestört in meinem eigenen Kopf etwas Sinn zu finden.«
    »Warum tust du’s nicht? Du kannst es dir leisten. Los. Warum nicht?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Breckenridge.
    Solch fremdartige Sternbilder. So ein schrecklicher Himmel.
    So ein kalter Wind aus dem Morgen.
    »Ich glaube, es ist Zeit für den nächsten Martini«, sagte Munsey.
    Sie durchquerten die Wüste nun schon seit langer Zeit – vierzig Tage und vierzig Nächte, wie Breckenridge sich gerne vorsagte, aber wahrscheinlich waren es mehr gewesen –, und sie legten ein strenges Tempo vor, marschierten von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang, mit möglichst wenig Ruhepausen. Die Luft war dünn. Seine Lunge fühlte sich ledrig an. Weil er der größte Mann in der Gruppe war, trug er die schwerste Last. Das störte ihn nicht.
    Was ihn störte, war, wie wenig er über diese Expedition wußte, über ihren Zweck, ihren Ursprung, sogar, wie er dazu gekommen war, an ihr teilzunehmen. Aber solche Fragen zu stellen, wäre auf irgendeine Weise naiv und peinlich erschienen, und er behielt sie für sich. Er marschierte mit, leistete sein Teil – Lager aufschlagen, am Morgen saubermachen – und versuchte seine Begleiter mit seinen Geschichten zu unterhalten. Sie verlangten jeden Abend Geschichten von ihm.
    »Erzählen Sie uns Ihre Mythen«, drängten sie. »Erzählen Sie uns die Legenden und Fabeln, die Sie in Ihrer Kindheit gehört haben.«
    Nach wochenlangem Zusammensein mit ihnen wußte er wenig mehr über die anderen vier als bei Beginn des Marsches. Sein Favorit unter ihnen war Scarp, der mitfühlend und flexibel war. Den feindseligen, verächtlichen Militor mochte er am wenigsten. Horn – verträumt, poetisch, weltfremd, distanziert – entzog sich ihm; Arios, der trockenste, objektivste und wissenschaftlichste der Gruppe, schien nicht wert zu sein, daß er sich um ihn bemühte. Soviel Breckenridge entscheiden konnte, waren sie menschlich, obwohl ihre Haut seltsam glänzte und von einer eigenartigen olivgrünen Färbung war, ziemlich dunkel. Sie hatten sonderbare Nasen, schmal und hoch, Nasen, wie er sie nie zuvor gesehen hatte, außerordentlich zerbrechlich, wie die Nasen reinrassiger Frauen aus der besten Gesellschaft, bis zum Äußersten ihrer Möglichkeit getrieben.
    Die Wüste war sehr schön. Eine bunte Trostlosigkeit, nur Dünen und Sandwellen, mit glitzernden Oxyden blau und rot und gold und grün gestreift.
    Manchmal, wenn das Nordlicht in vollem Schwange war – RAUM! ZEIT! RAUM! ZEIT! – schien die Wüste lediglich ein Spiegel für den Himmel zu sein. Aber am Morgen, wenn die elektronischen Furien der Aurora erstorben waren, hallte der Sand noch immer mit seinen inneren Vibrationen greller Farbe wider.
    Und die Sonne – blaß, unbarmherzig – Apollos unsterbliche Feuer –
    Ich bin Noel Breckenridge und bin neun Jahre alt, und so habe ich meine Sommerferien verbracht –
    Oh, Herr Jesus, vergib mir.
    Überall in der Wüste verstreut waren Überreste uralter Ruinen – Kolonnaden, Hallen mit Statuen, Wachhäuser, Sommerpavillons, Jagdhäuser, die Fundamente antiker Mauern, und stets schlugen die Marschierenden ihr Lager neben einer solchen auf. Sie besichtigten jede Ruine, maßen die Dimensionen ab, notierten die wesentlichen Merkmale, stocherten in den sandbedeckten Fundamenten herum. Um Scarps Hals hing eine Art mechanisierter Landkarte, ein tropfenförmiges, schwarzes Instrument, dem man

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