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Steinbock-Spiele

Steinbock-Spiele

Titel: Steinbock-Spiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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    – Töne entlocken konnte, die sie täglich in der zur Stadt führenden Kette zur nächsten Ruine führten. Scarp trug ferner eine kompakte, summende Maschine, die aus einigen Handvoll Sand Trinkwasser erzeugte. Als feste Nahrung hatten sie kleine, gelbe Kügelchen, recht schmackhaft.
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    Zu Beginn war Breckenridge ständig erschöpft gewesen, aber durch die quälenden Anstrengungen des Marsches hatten seine Kraft und Ausdauer immer mehr zugenommen, und nun hatte er das Gefühl, ewig weitermachen zu können, nie ermüdend, endlos –
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    – durch diese Wüste hin- und herwandern zu können, die vielleicht die ganze Welt umspannte. Aber ihr Ziel war die tote Stadt, und nun endlich war sie sichtbar. Sie sollten dort für unbestimmte Zeit bleiben. Er war sich noch nicht sicher, ob diese vier Männer Archäologen oder Pilger waren. Vielleicht beides, dachte er. Oder auch keines von beidem.
    »Wie glaubst du dann, dein Leben sinnvoller gestalten zu können?« fragte Munsey.
    »Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, was bei mir wirken würde. Aber ich weiß, wer die Menschen sind, deren Leben Sinn hat .«
    »Wer?«
    »Die Schöpferischen, Harry. Die Gestalter, die Erschaffer, die Urheber. Beethoven, Rembrandt, Doktor Salk, Einstein, Shakespeare, diese Leute. Es genügt nicht, einfach zu leben. Es genügt nicht einmal, nur einen guten Verstand zu besitzen, klare Gedanken zu denken. Du mußt etwas von der Summe der menschlichen Leistungen hinz ugeben, etwas Reales, etwas Wertvolles. Du mußt geben. Mozart. Newton. Kolumbus. Jene, die fähig sind, in den Quell der Schöpfung zu greifen, in dieses heiße, kochende, brodelnde Chaos da unten, und etwas herauszuziehen, es zu formen, etwas Einmaliges und Neues daraus zu machen. Geld verdienen ist nicht genug. Mehr Breckenridges und Munseys zu machen, ist auch nicht genug. Verstehst du, was ich sage, Harry? Der Quell der Schöpfung. Das Reservoir des Lebens, das Gott ist. Denkst du jemals nach, ob du an Gott glaubst? Wachst du manchmal mitten in der Nacht auf und sagst: Ja, ja, es gibt doch etwas, ich glaube, ich glaube! Ich spreche jetzt nicht vom Kirchgang, verstehst du. Heutzutage ist der Gang zur Kirche nichts anderes als ein angelernter Reflex, ein Zucken, ein Tick. Ich spreche vom Glauben. Dem Zustand der Erleuchtung. Ich spreche auch nicht von Gott als von einem alten Mann mit langem, weißem Bart, Harry. Ich meine etwas Abstraktes, eine Kraft, eine Macht, eine Strömung, ein Reservoir der Energie, das allem zugrunde liegt und alles verbindet. Gott ist dieses Reservoir. Das Reservoir ist Gott. Ich stelle mir dieses Reservoir als etwas vor, wie das Meer geschmolzener Lava unter der Erdkruste: es ist da, es ist voller Hitze und Energie, es steht denen zur Verfügung, die den Weg kennen. Plato vermochte dieses Reservoir anzuzapfen. Van Gogh. Joyce. Schubert. El Greco. Ein paar vom Glück Begünstigte wissen, wie man es erreicht. Die meisten von uns können es nicht. Die meisten nicht. Für diejenigen, die es nicht können, ist Gott tot. Schlimmer noch: für sie hat Er nie gelebt. O Gott, wie schrecklich ist es, in einem Zeitalter festzusitzen, wo alle wie lebende Leichname herumlaufen, abgeschnitten von den Energien des Geistes, aus Scham nicht einmal bereit, zuzugeben, daß es solche Energien gibt. Ich hasse es. Ich hasse das ganze widerliche zwanzigste Jahrhundert, weißt du das? Mache ich mich verständlich? Wirke ich arg betrunken? Mache ich dich verlegen, Harry? Harry? Harry?«
    Am Morgen brachen sie das Lager ab und traten die letzte Etappe ihres Marsches zur Stadt an. Der Sand war hier von einer beunruhigenden krustigen Beschaffenheit: weiße, salzige Brocken verliehen Breckenridge das Gefühl, daß sie weniger eine Wüste als eine Tundra durchquerten. Der Himmel war klar und blaß, und mit seiner ausgebleichten Wolkenlosigkeit nahm er etwas von der Eigenschaft eines Schildes, eines Spiegels an, ergriff die Vormittagshitze, die aus dem Boden emporstieg, und schleuderte sie unerbittlich zurück, so daß die fünf Männer sich in einem unendlichen Käfig unerträglicher, trockener, erstickender Wärme fühlten.
    Während sie zur Stadt gingen, plauderten Militor und Arios wie unter einem Zwang und gerieten nach einer Weile in einen Streit über gewisse obskure und umstrittene Punkte historischer Theorien. Breckenridge hatte in den vergangenen zwei Wochen diesen Disput zwischen ihnen mindestens schon ein dutzendmal verfolgt, und ohne Zweifel

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