Steine der Macht 2 - Die Zeitkorridore im Untersberg
Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt herrschen. Das kleine Dorf samt dem Gasthof und der Kirche daneben sah jetzt unter einer Schneedecke wie verzaubert aus.
Gleich hinter dem alten Gasthof war wie jedes Jahr um diese Zeit ein Adventmarkt aufgebaut. Es duftete herrlich nach heißen Kastanien und Glühwein, im Hintergrund war weihnachtliche Musik zu hören. Als Treffpunkt mit dem General hatten sie wie immer den Marmorbrunnen gewählt. Kammler und Weber warteten bereits dort. Linda entdeckte die beiden schon vom Wagen aus, während Wolf sich wegen der vielen Besucher nach einem freien Parkplatz umsehen musste.
»Was hältst du davon, wir kaufen denen eine Tüte heiße Maroni.« Tatsächlich spazierten sie kurz darauf mit den beiden eine Runde zwischen den geschmückten Ständen hindurch und Wolf besorgte die Kastanien. Anschließend gingen sie ins Gasthaus. Der Tisch neben dem grünen Kachelofen, welcher eine behagliche Wärme ausstrahlte, war der gemütlichste in der ganzen Gaststube.
Anton, der Wirt, begrüßte Wolf und Linda, mitsamt ihren Gästen aus der Vergangenheit. Anton ahnte nicht im Geringsten, wen die beiden da mitgebracht hatten.
Da es draußen schon recht kalt war und die beiden SS-Leute bestimmt eine Zeit lang zu Fuß unterwegs gewesen sein mussten, bestellte Wolf Glühwein für alle.
»Die Bücher, welche Sie uns letztes Mal mitgebracht haben, waren recht interessant. Vor allem das kleine alte Sagenbuch über den Untersberg. Darin wird doch die sogenannte ›Wilde Jagd‹ beschrieben.«
Das passte zwar genau in die Adventzeit, aber würde der General jetzt mit ihnen über Untersberg-Sagen reden? Wolf tauschte einen kurzen fragenden Blick mit Linda aus, als Kammler fortfuhr: »Als wir einen dieser Zeitkorridore näher untersuchen wollten und ein paar Leute zur Erkundung losschickten, passierte etwas Seltsames. Vier Männer, gut bewaffnet und mit Motorrädern ausgerüstet, sollten, wenn irgendwie möglich, dass Gebiet nördlich des Untersberges nach weiteren Eingängen in den Berg absuchen. Sie kamen vermutlich im achtzehnten Jahrhundert zur Winterszeit aus dem Berg heraus, und zwar spät am Abend, in völliger Dunkelheit. Wege gab es in dieser Zeit nur sehr schlechte und orientieren konnten sich die Soldaten auch nur sehr mühsam an den spärlich ausgetretenen Pfaden. Das hatte zur Folge, dass sie nach einer Stunde Fahrt, als sie wieder zum Gang zurückkehren wollten, den Eingang nicht mehr fanden. Stattdessen begegneten ihnen auf dem schmalen Waldweg zwei Bauern. Wahrscheinlich auf dem Heimweg zu ihrem Hof, welcher sich irgendwo am Rande des großen Moores befinden musste. Unsere Leute waren ebenso überrascht wie die Bauern, welche um ihr Leben rannten, als die Motorräder mit den hellen Scheinwerfern durch den finsteren Untersbergwald knatternd dahergefahren kamen. Es wurden einige Warnsalven aus den Maschinenpistolen abgegeben, worauf sich die Moorbewohner auf den Boden warfen. Dreimal fuhren die vier Motorräder damals an den Leuten vorbei, ehe sie letztendlich den Eingang wiederfanden. Unsere Soldaten dürften diesen einfachen Bauern einen Riesenschrecken eingejagt haben. Da, sehen Sie selbst«, Kammler legte das kleine Sagenbuch von Wolf auf den Tisch. Er schlug eine Seite auf und da stand:
»Die Wilde Jagd vom Untersberg«
Es war in der Vorweihnachtszeit des Jahres 1779. Der Hintermoosbauer schickte sich an, mit seinem Vetter Jackl nach einer Hochzeitsfeier den Heimweg anzutreten. Sie wollten von Grödig nach Großgmain die Abkürzung durch den Untersbergwald nehmen. Es lag noch nicht sehr viel Schnee und der schmale Saumpfad war nicht völlig zugeschneit. So kamen die beiden auch gut voran, als sie etwa in der Hälfte des Weges von ferne ein lautes Zischen und Heulen vernahmen, das zunehmend lauter wurde. Aus der Dunkelheit des tiefen Waldes tauchten zwischen den verschneiten Bäumen plötzlich leuchtende Augen, fast so groß wie Wagenräder auf. Im Wald wurde es auf einmal so hell, als wenn tausend Laternen leuchten würden. Das Heulen wurde zu einem Knattern und unbeschreiblicher Lärm war zu hören. Dann erblickten die beiden seltsame schwarze Reiter auf leuchtenden Ungetümen, welche in wildem Galopp heranpreschten. In den Händen hielten sie Schwerter, aus denen Feuer hervorkam. Äste fielen von den hohen Bäumen, unter denen sich diese Wilde Jagd daherwälzte. Der Schnee stob in wirbelnden Fontänen empor. Das waren Dämonen, daran hatten die zwei keinen Zweifel. So rasch sie
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