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Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Löwen weinen
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Geschoßmantel nicht über das obligate NATO-Kreuz verfügte,
sondern ein Slawisches Kreuz aufwies (auch Rece Boga genannt, die Hände
Gottes). Dies ließ eher einen Attentäter vermuten, der wußte, was er tat, und
dessen Ziel eigentlich nicht darin bestehen konnte, sich an einem persönlichen
Referenten und Jungspund schadlos zu halten. In dieser Auseinandersetzung
waren, wie Rosenblüt bewußt war, Symbole so wichtig geworden. Dieser Referent
jedoch war mitnichten ein Symbol, er war bloß ein Mitläufer, ein kleiner
Karrierist, der immer nur ein kleiner Karrierist bleiben würde. Wie diese
Polizisten, die immer nur parkende Autos aufschreiben, gleich ob Demokraten
oder Faschisten oder kleine grüne Männchen an der Macht sind.
    Rosenblüt überlegte: "Also gut, gehen wir mal davon
aus, daß wir es mit einem echten Scharfschützen zu tun haben. Von wo wurde
überhaupt geschossen?"
    Thiel zeigte auf ein gegenüberliegendes altes
Verwaltungsgebäude und erklärte, der Schuß sei aus einem Abstellraum abgegeben
worden.
    "Spuren?"
    "Kein Krümelchen. Offensichtlich hat der Schütze
nichts gegessen, während er sein Ding gedreht hat."
    "Gut so. Dann brauchen wir nicht die Brezelbäcker
dieser Stadt zu konsultieren. - Stellt sich weiterhin die Frage, wieso ich
eigentlich hier bin."
    "Ich sagte es schon. Kollegin Landau meinte, es sei
eine gute Idee."
    "Sagte sie sonst noch was?" fragte Rosenblüt mit
verkniffenem Blick.
    "Daß Sie vielleicht den Mann kennen, der solche
Geschosse verkauft."
    Rosenblüt nickte stumm. Richtig, damals, als er und Landau
bei Sami Aydin gewesen waren, hatte dieser versucht, sich quasi freizukaufen,
indem er Andeutungen über jemanden machte, der bei ihm eine Waffe erstanden
hatte und von dem Aydin vermutete, es handle sich um einen künftigen
Attentäter. Wie hatte Aydin sich ausgedrückt? "Sie haben einen
Wahnsinnigen in der Stadt, der aber nicht wie ein Wahnsinniger ausschaut und
nicht wie ein Wahnsinniger redet."
    Wie war bloß der Name dieses "Wahnsinnigen"
gewesen? Etwas Skandinavisches, oder? Rosenblüt konnte sich nicht mehr genau
erinnern, hatte dieser Aussage ja auch keinerlei Bedeutung beigemessen,
sondern sie als Ablenkungsmanöver Aydins verstanden.
    "Na, vielleicht..." Rosenblüt zögerte. "Frau
Landau übertreibt. Die Spur ist mehr als vage. Ein Waffenhändler, der versucht
hat, uns eine Geschichte aufzutischen, um nicht mit der Geschichte herauszurücken,
um die wir ihn höflich gebeten haben."
    "Trotzdem", sagte Thiel. "Ich wäre Ihnen
dankbar, wenn Sie das überprüften. Sie brauchen mir derzeit auch keine Namen zu
nennen. Ich finde es sowieso besser, wenn Sie das alleine machen."
    "Immer wollen alle, daß ich solo arbeite",
beschwerte sich Rosenblüt. "Dabei habe ich in dieser Stadt gar keine
Befugnisse."
    "Sind erteilt", sagte Doktor Thiel wie im Spiel,
wenn einer eine Karte weiterreicht. Und fügte an: "Ich gebe Ihnen wieder
Landau als Begleitung."
    "Hat die sonst nichts zu tun?"
    "Kollegin Landau muß rotieren. Sie weiß selbst nicht,
zu welcher Einheit sie gehört. Außerdem hatte ich den Eindruck, daß sie Sie
mag. Sie sind nun mal ein Mann, der mit Frauen umgehen kann."
    "Danke", sagte Rosenblüt, wie man sagt: Das Brot
ist von vorgestern.
     
    Nur eine halbe Stunde später stiegen Rosenblüt und der
melancholische Quasi-Polizeihund Kepler in den dunkelgrünen VW-Bus der Teska
Landau. Durchaus im Einklang mit dem üblichen Ranking hatte Teska zuerst den Hund
und dann den Mann begrüßt. Das war nicht zynisch und nicht provokant, sondern
zeigte nur, daß die Menschen, zumindest wenn sie Frauen waren, insgeheim ganz
gut wußten, daß ihre Gattung gar nicht die Krönung der Schöpfung darstellte,
sondern eine reine Konstruktion, ein Spielzeug, eine Erfindung. Das galt zwar
auch für die Hunde, aber irgendwie schienen sie die bessere Erfindung zu sein.
    Teska Landau steuerte mit gewohnter Konzentration den
Wagen hinüber nach Bad Cannstatt, wo sie vor dem Haus, das man auch als
geheimes Waffencenter hätte bezeichnen können, einen Parkplatz fand. Es hatte
heftig zu regnen begonnen, weshalb Kepler im Wagen blieb, um nicht im
schlechten Wetter seine Würde und Gelassenheit einzubüßen. Im Regen haben es
alle eilig, ducken sich alle, selbst unter Schirmen.
    Rosenblüt und Landau, beide schirmlos, blieb dieser Weg
aber nicht erspart. Die wenigen Schritte genügten, daß ein Heer von Regentropfen
sich ihrer bemächtigte. Solcherart getroffen, traten sie in das

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