Steinhauer, Franziska
lassen!“, forderte der trauernde Vater eindringlich.
„Niemand wird wankend im Glauben ob solch eines Frevels!“, donnerte die Stimme des Pfarrers durch den Kirchenraum. Zufrieden lauschte er seinen Worten nach. „Ich werde Rosas Grab neu weihen. Heute Nachmittag noch. Fünfzehn Uhr. Sag deinen Freunden Bescheid!“
„Danke, Herr Pfarrer.“ Der Vater senkte den Kopf, und der Seelsorger schlug das Kreuz über ihm.
„Und nun gehe heim in Frieden. Der Herr lasse leuchten sein Antlitz über dir und möge dir und deiner Frau helfen, die schwere Last zu tragen.“
Wie betäubt wankte Rainer davon.
Pfarrer Weißgerber kniete indes nieder, um den unterbrochenen Dialog mit seinem Schöpfer fortzusetzen, in der Hoffnung, dass dieser ihm einen Weg weisen möge, wie er seine Gemeinde wieder in ruhigeres Fahrwasser steuern konnte.
Anton parkt den Wagen in der Zufahrt.
„Geh schon mal hinein. Ich lade das Holz allein ab.“
Jakob trottet auf das Haus zu.
Erwartet fast, dass Maria ihm die Tür öffnet.
Doch Maria wird nie wieder hier sein. Er schluckt. Resigniert will er den Schlüssel ins Schloss schieben, als die Tür auch schon aufschwingt.
Angelehnt – bestimmt ist Heiko bei den Hühnern.
Der Junge hat seltsame Angewohnheiten angenommen. „Helene?“
Er sucht im Erdgeschoss, wird hektisch, ruft erneut. Antons Worte hämmern plötzlich in seinem Kopf: „Maria würde dich hassen!“
Hoffentlich hat sich die Kleine nichts angetan, seine Gedanken überschlagen sich. Aber bringen sich Kinder in diesem Alter tatsächlich schon um?
„Helene! Helene!“
Jakob rennt die Treppe hinauf, reißt ihre Zimmertür auf. „Helene!“
Diesen Anblick wird er nie wieder vergessen!
„Helene!“
Ihr Bett ist zerwühlt, und das Mädchen liegt regungslos davor.
In einer großen Blutlache. Ihre Augen sind geschlossen, das zarte Gesichtchen kalkweiß. Er fällt neben ihr auf die Knie. Schluchzt.
Jemand hat sie geschlagen.
Und zwischen ihren Beinen …
„Nein!“, brüllt Jakob wie von Sinnen und sucht nach ihrem Puls. „Nein! Du darfst mich nicht auch noch verlassen! Lieber Gott, nimm mir nicht auch noch meine Tochter!“
Endlich!
Er findet den Puls. Helene lebt.
Wenn auch nur noch ein bisschen.
Ihr Herz schlägt nur noch schwach.
Anton steht auf einmal neben ihm, und hinter dem Onkel drängelt sich Heiko ins Zimmer.
„Helene?“, flüstert der Bruder entsetzt.
„Sie muss sofort ins Krankenhaus!“
Jakob rafft die Bettdecke um den schmächtigen Körper und rennt die Treppe hinunter. Sekunden später hört Anton den Wagen vom Hof brausen.
„Was ist mit Hele? Wird sie wieder gesund?“, fragt Heiko schluchzend, und der Onkel zuckt ratlos mit den Schultern. Er nimmt den zitternden Jungen in den Arm und flüstert: „Hele ist überfallen worden. Hier im Dorf seid ihr nicht mehr sicher, Heiko!“
Der Junge nickt ernst.
Das weiß er längst.
Er krempelt die Hose ein Stück hoch und zieht den Pulli aus. Entgeistert starrt Anton auf die grünen und violetten Male, die offenen Wunden von Stockschlägen, die sich über den kleinen Körper ziehen.
„Sie verprügeln mich jedes Mal, wenn sie mich zu fassen kriegen!“
„Das hast du doch sicher deinem Vater gezeigt!“ Zornig denkt er an Jakobs Gleichgültigkeit.
„Wozu? Die werden von ihren Eltern doch nur gelobt, wenn sie zu Hause erzählen, dass sie den Mörderjungen verdroschen haben! Alle finden das in Ordnung!“
„Es ist überhaupt nicht in Ordnung, Heiko! Gar nicht! Niemand hat das Recht, einen anderen zu schlagen!“
„Und wer hat Hele überfallen, Onkel Anton? Wer tut so etwas? Warum?“
Dr. Gneis war besorgt, und das sagte er seinem Patienten auch.
„Die Dörfler werden sich ein Ventil suchen – und mit der unheimlichen Sekte wird man sich wohl kaum anlegen.“
„Ja, ja“, murrte Jakob Gumper. Er war es leid, von wohlmeinenden Leuten auf die Gefahr angesprochen zu werden, in der sie sich befanden.
„Heute Morgen habe ich schon gedacht, jetzt laufen sie gleich zum Gumperhof und verjagen die Familie. Der Hass der Gertrauder ist so dick, dass man sich wundern muss, dass sie noch nicht an ihm erstickt sind.“
„Berta. Bestimmt ist es Berta, die mit ihrem Geschwätz die anderen aufhetzt. Das konnte sie seit jeher gut.“
„Ich schlafe schon schlecht, vor lauter Angst, gleich könnte das Telefon klingeln, weil ein Mitglied der Familie Gumper tot im Fluss liegt!“ Bekümmert schüttelte der Arzt den Kopf.
„Uns passiert schon
Weitere Kostenlose Bücher