Steinhauer, Franziska
verantwortlich sind. Gestern, nachdem wir alle fort waren, haben sie sich noch auf den Friedhof geschlichen! So wird es gewesen sein.“
„Klar. Früher gab es so etwas nicht im Dorf!“
„Oder der Gumper mit seiner Brut war es. Die wohnen ja seit gestern wieder in ihrem Haus!“, erklärte Berta mit unheilschwangerer Stimme. „Die sind ja nun eindeutig Teufelsbrut! Von beiden Seiten des Berges nehmen sie uns jetzt in die Zange! Niemand wird behaupten können, es sei Zufall, dass die Gumpers gleichzeitig mit den Vertretern Satans ins Dorf gekommen sind!“
„Und aus welchem Grund sollten ihm dann die Satanisten eins über den Schädel ziehen?“
„Vielleicht, weil sie nicht wussten, dass Jakob Gumper der Leibhaftige ist!“
Commissario Nikola Mendetti betrachtete das tote Tier angewidert.
„Ich werde einen Tierarzt beauftragen, den Kadaver zu untersuchen“, verkündete er dann, nicht zuletzt, um die erhitzten Gemüter zu beruhigen.
„So eine Blasphemie!“, empörte sich Pfarrer Weißgerber, der frierend neben ihm stand. „Noch nie zuvor habe ich so einen Frevel gesehen!“
„Ich auch nicht“, gab der Commissario zu und schlug den Jackenkragen hoch. „Weiß jemand, wem das Schaf gehörte?“
„Ja. Es ist vom Hof des Metzgers, dem Paulihof. Schade drum. War ein schönes Tier.“
„Und Susanne hat dieses Gemetzel heute Morgen entdeckt?“, fragte Mendetti mitfühlend. „Wie geht es ihr denn jetzt?“
„Nicht so gut, dass sie sich mit Ihnen unterhalten könnte!“, stellte Berta klar.
„Was geht hier bloß vor?“ Der Ortsvorsteher, Michael Hofer, sah auf das Schaf hinunter. „Bisher waren wir eine relativ friedliche Gemeinde. Man konnte sein Fahrrad unabgeschlossen stehen lassen, die Haustüren wurden nicht abgeschlossen, und wenn man seinen Geldbeutel verloren hatte, wurde er einem wieder zurückgebracht, noch bevor man seinen Verlust überhaupt bemerkt hatte. Hier wohnen freundliche, ehrliche Leute!“
„Bis auf diese Sekte dort oben!“, widersprach Rainer.
„Und die Gumpers!“, fügte Berta hinzu. „Ich habe die Tochter am Fenster stehen sehen, und der Sohn hat sich vom Hof geschlichen!“, gab sie an, und Mendetti schrieb eifrig mit. Ihm fiel auf, wie distanziert die Frau von ihrer Nichte und ihrem Neffen sprach.
„Jakob Gumper haben Sie wohl nicht gesehen?“
Berta schüttelte den Kopf.
„Nach dem Schlag auf den Schädel wird er wohl im Bett gelegen haben“, murmelte Mendetti.
„Bei der Sekte herrschte die ganze Nacht Betrieb. Sie hatten den Weg vom Haus zur Scheune mit Fackeln ausgeleuchtet und liefen dauernd hin und her. Die ganze Nacht über haben sie lautstark gefeiert. Da ist jede Menge Alkohol geflossen, dass kann ich Ihnen sagen!“
„Aber von denen hat sich keiner auf den Friedhof geschlichen?“
„Woher soll ich denn das wissen?“, empörte sich der Bauer. „Ich schlafe normalerweise nachts und bin auch gestern schnell wieder in mein Bett gehuscht! Die Kühe nehmen überhaupt keine Rücksicht auf das Schlafbedürfnis ihres Bauern!“
„Wenn diese Satanisten aus rituellen Gründen ein Schaf geschlachtet haben – hätten sie dann nicht eher ein schwarzes ausgewählt?“ Auf diese Frage des Commissario breitete sich zunächst Schweigen aus. Ratlose Blicke wurden gewechselt, allgemeines Schulterzucken folgte.
„Nun ja“, begann Pfarrer Weißgerber schließlich zögernd. „Es gibt verschiedene Rituale, und nicht alle Gruppen, die zu Satan beten, halten sich an dieselben Regeln. Oft genug geben sie sich bei ihrer Gründung ihre eigenen, neuen Riten.“
„Soll heißen?“
„Es muss nicht immer ein schwarzes Tier geopfert werden. Manchmal werden auch gezielt weiße Tiere ausgewählt, um Gott zu verhöhnen. Ich kenne diese Kinder Lucifers nicht, habe aber bereits in Rom nachgefragt und hoffe, in den nächsten Tagen Antwort zu bekommen.“
„Gut, ich werde diesem Punkt ebenfalls nachgehen“, versprach der Commissario zum Abschied.
Als Mendetti den Friedhof verließ, entdeckte er Clemens Steier, der trotz der Kälte auf der Umfassungsmauer saß und die empörte Versammlung interessiert beobachtete. Er trug wollene Handschuhe, deren Finger abgeschnitten waren, sodass er selbst bei diesen Temperaturen noch Kohle, Kreide und Rötel halten konnte. Auf seinem Schoß balancierte er seine neueste Zeichnung: Unter einem Himmel, der aussah wie eine aufgepeitschte See bei Sturm, befand sich ein einsames Grab, beleuchtet von einem diffusen Lichtschein, dessen
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