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Steinhauer, Franziska

Steinhauer, Franziska

Titel: Steinhauer, Franziska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angst
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Scheibe von außen einschlägt!“, dringt die Stimme Christians in sein Bewusstsein.
    Der Stammtisch beschäftigt sich mit seinem Lieblingsthema. „Nur braucht man dafür keine Dreiviertelstunde. Ich möchte bloß wissen, was in der ganzen Zeit im Widum passiert ist!“
    „Ha!“ Christian lacht trocken auf. „Das wüssten wir alle gern!“
    „Fünfundvierzig Minuten! In der Zeit kriegt manche Frau ihr Kind!“
    „Der Pfarrer deckt jemanden. Noch immer – nach mehr als zwanzig Jahren! Es muss sich um eine Person handeln, die ihm viel bedeutet. Sonst würde er das nicht machen! Er wäre schließlich fast für vierzehn Jahre im Gefängnis gelandet! Und hat trotzdem kein Wort verraten!“
    „Ein Buch über Sexualprobleme hat in seinem Zimmer gelegen. Wozu braucht ein Pfarrer das? Der sollte nicht einmal bemerken, dass er welche hat!“, mischt sich der Wirt ein.
    „Vielleicht …“ Den Rest hört Pfarrer Weißgerber nicht mehr. Jemand hat sich zu ihm gesetzt und an seinem Ärmel gezupft.
    Er sieht auf.
    In Trudes Augen stehen Tränen.
    „Es ist so weit“, flüstert sie erstickt.
    Der Seelsorger nickt.
    Gemeinsam verlassen sie den Ultnerhof.
    Trudes Mann wird die Letzte Ölung erhalten, die Sterbesakramente.
    Darauf musste die ermordete Wirtschafterin auch verzichten. Pfarrer Steinkasserer hatte sie ihr Zeugenaussagen zufolge nicht gegeben, obwohl er das zunächst behauptet hatte.
    Nur ein Widerspruch von vielen.
    Mit seiner Tasche in der Hand läuft er eilig neben der schweigsamen Trude her.
    Sie kommen noch rechtzeitig, und Trudes Mann kann unbelastet von seinen weltlichen Sünden ins Jenseits einziehen.
    Als Pfarrer Weißgerber dem Verstorbenen sanft die Augen schließt, weint Trude leise.
    Er betet.
    Hinter ihm knarrt der Dielenboden.
    Als er sich umwendet, streckt Trude ihm einen Umschlag entgegen, auf dem in ungelenken Buchstaben „Testament“ steht.
    „Ich kann da nicht reinsehen! Womöglich steht da noch drinnen, dass er der Mörder der Platzgrummer war. In jener Nacht war er nicht zu Hause. Ich habe nie erfahren, woher er am nächsten Morgen gekommen ist, kalt und durchgefroren.“ Sie stockt und wiederholt: „Ich kann da nicht reinsehen!“
    Armes St. Gertraud, denkt der Geistliche und nimmt der Witwe den Umschlag ab.
    Selbst in der Stunde des Todes kann die Witwe ihren schrekklichen Verdacht nicht ablegen, war seit zwanzig Jahren voller Misstrauen.
    Er seufzt.
    Über den Mord findet sich nicht ein einziges Wort im Testament.
    Jemandem hatte es gefallen, ein junges weißes Schaf quer über Rosas Begräbnisstätte zu legen. Mit einem scharfen Schnitt war dem Tier die Kehle durchtrennt worden, Blut fand sich überall:
    Unterhalb des getöteten Tieres war es den kleinen Grabhügel hinuntergelaufen und im Schnee rund um die Grabstelle versickert. Es sah aus, als habe die Tötung an dieser Stelle stattgefunden! Dem Tier quollen die Augen aus den Höhlen, aus dem leicht geöffneten Maul fiel die Zunge bis auf den Schnee.
    „Wer kommt denn auf solch eine Idee!“, keuchte Rainer. „Und ausgerechnet auf Rosas Grab!“
    „Schrecklich, dass ausgerechnet Susanne das Tier finden musste!“
    „Mir wäre es auch durch Mark und Bein gefahren!“
    „Wie grausig. Das viele Blut!“
    „Niemand im Dorf würde Rosas Grab schänden. Alle wissen, was man Susanne damit antut“, meinte Rainer mit belegter Stimme.
    „Wem gehörte das Tier denn?“, fragte Annemarie.
    „Das stammt aus meiner Herde“, antwortete der Metzger, „es ist ein Jungtier aus diesem Sommer!“
    „Bestimmt waren das die Satanisten! Ein rituelles Tieropfer auf dem Grab eines jungen Mädchens!“, empörte sich Berta und streckte ihren Zeigefinger vage in Richtung des Sektengebäudes.
    Tuschelnd, damit Rainer ihre Worte nicht hören konnte, setzte sie hinzu: „Gerade Selbstmörder gefallen dem Teufel ganz besonders!“
    „Das sehe ich auch so. Für Selbstmord gibt es keine Vergebung! Gott schenkt Leben, und er ist derjenige, der es auch wieder nimmt.“
    „Früher wurden diese Sünder außerhalb der Friedhofmauern verscharrt. Neben guten Christen hatten sie nichts zu suchen. Aber selbst die Kirche verweichlicht!“
    „Ach, denk nur daran, dass auch ungetaufte Neugeborene nicht auf dem Friedhof bestattet werden durften. Die armen Eltern!“, meinte Annemarie empathisch.
    „In einigen Gemeinden durften sie unter der Traufe des Kirchendachs stehen. Damit der Regen sie taufen kann.“
    „Ich glaube auch, dass diese Satanisten dafür

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